Kurzcharakterisierung:Brevier in zwei Bänden, 1493 für Jost von Silenen († 1498) hergestellt, den Bischof von Sitten von 1482 bis zu seiner Absetzung im Jahre 1497. Die reich verzierten Buchmalereien sind das Werk eines Wanderkünstlers, der während der letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts in Freiburg, Bern und Sitten aktiv war und für diese Arbeiten unter dem Namen Meister des Breviers des Jost von Silenen bekannt wurde. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts setzte er seine Tätigkeit in Aosta und Ivrea fort, wo ihm ein weiterer Name verliehen wurde, Meister des Georges von Challant.(ber)
Standardbeschreibung: Beschreibung bearbeitet und Literaturverzeichnis ergänzt von Marina Bernasconi für das Internet, 2016; auf der Grundlage von: Jörger Albert, Der Miniaturist des Breviers des Jost von Silenen. Ein anonymer Buchmaler um 1500 und seine Werke in Fribourg, Bern, Sitten, Ivrea und Aosta, Sitten 2001 (Beihefte zu Vallesia 6), besonders 509-627.
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Zusätzliche Beschreibung: Mohlberg Leo Cunibert, Katalog der Handschriften der Zentralbibliothek Zürich I, Mittelalterliche Handschriften, Zürich 1952, S. 298-300.
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Online seit: 20.12.2016
Zürich, Schweizerisches Nationalmuseum, LM 4624.1
Pergament · I + 373 + II ff. · 21.2-21.5 x 15-15.5 cm · 1493
Brevier des Jost von Silenen, <i>pars hiemalis</i>
Wie zitieren:
Zürich, Schweizerisches Nationalmuseum, LM 4624.1, f. 358r – Brevier des Jost von Silenen, <i>pars hiemalis</i> (https://www.e-codices.ch/de/list/one/snm/LM004624-1)
Beschreibung bearbeitet und Literaturverzeichnis ergänzt von Marina Bernasconi für das Internet, 2016; auf der Grundlage von: Jörger Albert, Der Miniaturist des Breviers des Jost von Silenen. Ein anonymer Buchmaler um 1500 und seine Werke in Fribourg, Bern, Sitten, Ivrea und Aosta, Sitten 2001 (Beihefte zu Vallesia 6), besonders 509-627.
Handschriftentitel: Brevier des Jost von Silenen, pars hiemalis (Bd. 1)
Entstehungszeit: 1493
Beschreibstoff: Pergament
Umfang:
I + 373
Format: 212-215 x 150-154 mm
Seitennummerierung: Moderne Foliierung in Bleistift mit korrekter Zählung 1-373.
Lagenstruktur:
III6 + I8 + (IV-1)15 + 12 IV111 + III117 + 25 IV317 + III323 + 6 IV371 + I373.
Lagenzählung a1-a4, b1-b4 usw. (teilweise doppelt ausgeführt, z. B. 24r und folgende). Reklamanten in Textura, vertikal geschrieben (ff. 9-103v), in kursiver Schrift (z. B. 221v, 229v) oder in Form eines entrollten Spruchbandes (z. B. 141v, 149v, 157v, 165v, 173v, 181v).
Zustand: Restauriert 1973 durch Beate Küsters, Stuttgart.
Seiteneinrichtung:
Spaltenliniierung mit Blei und Zeilenliniierung mit roter Tinte (1-111v) danach mit schwarzer Tinte (112r-371v). Schriftraum 128-135 x 99-101 mm, zweispaltig, 23 Zeilen.
Schrift und Hände:
spätgotische Textura von einer Hand. Ergänzungen und Korrekturen von der gleichen Hand, am Rand, vertikal (z. B. 51v, 53r, 106r).
Buchschmuck: Der Buchschmuck ist das Werk eines wandernden Künstlers, der in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts in Freiburg, Bern und Sitten aktiv war und für diese Arbeiten unter dem Namen Meister des Breviers des Jost von Silenen bekannt wurde. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts setzte er seine Tätigkeit in Aosta und Ivrea fort, wofür ihm ein zweiter Name, Miniatore di Giorgio di Challant, verliehen wurde.
Rubrizierung.
Majuskeln von Satzanfängen mit gelber Strichelung
abwechselnd rote und blaue kleine Lombarden
Zeilenfüllsel
Initialen:
zahlreiche Initialen (1-6 Zeilen) auf einem weinroten oder blauen Feld, darauf in Goldfeder eine gotische Majuskel die mit Ranken, Knospen und Blümchen verziert ist.
23r: Psalterium: feria II. David und Goliath: David schleudert den Stein gegen Goliath.
32r: Psalterium: feria III. David und Urias: David übergibt vor seinem Palast Urias den Brief für Joab.
41r: Psalterium: feria IV. Nathan und David: der Prophet Nathan mahnt David zur Busse, mit kleinem Dekorfeld am Rand mit Ranken, Blätter und Blumen.
49v: Psalterium: feria V. David erscheint ein Engel: im Garten seines Palastes kniet David, beide Hände ausgebreitet, vor einer Engelserscheinung am Himmel, mit Dekorfeld am Rand.
60v: Psalterium: feria VI. David und Bathseba im Bade: David beobachtet aus dem Fenster seines Palastes Bathseba beim Bade.
71r: Psalterium: sabbato. David, die Harfe spielend: im Palastgarten musiziert David auf seiner Harfe vor zwei höfischen Damen.
82v: Psalterium: in diebus dom. ad vesp. David aus dem Wasser errettet: König David, mit kurzem Bart und langem, braunem Haar, steht büssend und betend in einer Grube.
143r: In festivitate nativitatis domini. Anbetung des Kindes: das Christkind wird von Maria, Joseph und der Amme Salome im Stall von Bethlehem angebetet.
177v: In festivitate epiphanie domini. Anbetung der Könige: das Jesuskind wird auf dem Schoss seiner Mutter von den Königen und ihrem Gefolge angebetet.
264r: In festivitate s. Barbare. Hl. Barbara: die Hl. Barbara steht bei einem Treppenaufgang und weist mit ihrer Rechten auf den Turm.
273r: In festivitate conceptionis BMV. Begegnung an der Goldenen Pforte: Joachim und Anna umarmen sich an der Goldenen Pforte.
281r: In festivitate s. Sebastiani. Hl. Sebastian: der hl. Sebastian steht frontal unter einem Baldachin in einer Säulenhalle und hält in der Rechten einen Pfeil.
295r: In festivitate s. Karoli magni. Hl. Karl der Grosse: Karl der Grosse übergibt dem hl. Theodul das Regalienschwert.
299v: In festivitate purificationis BMV. Maria mit Kind: die Muttergottes sitzt mit ihrem Kind auf einer Rasenbank in einer Wiesenlandschaft.
316v: In festivitate annunciationis BMV. Verkündigung an Maria: der Engel Gabriel verkündet Maria die Geburt Christi.
322r: Commune sanctorum. Hl. Johannes Evangelist auf Patmos: der Evangelist Johannes schreibt auf der Insel Patmos sein Evangelium.
359r: Officium mortuorum. Der Tod und das Liebespaar: der Tod begegnet einem jungen Paar und sticht mit einer langen Lanze die Dame nieder.
364r: Officium s. Antonii. Hl. Antonius Eremit: der hl. Antonius Eremit betet kniend vor einer Erscheinung.
Miniaturen mit Bordürenrahmen:
10r: Psalterium. David im Gebet: David betend im Garten seines Palastes; drei Männer in Halbfigur mit Schriftband. Im Randdekor Blumen, Früchte und Silenen-Rossstirnschild, gehalten von einem blauen und einem braunen aufgerichteten Löwen.
118r: Temporale: dom. prima in adventu. Wurzel Jesse: dem schlafenden Jesse entwächst ein Baum, der in seinen Windungen 6 Blüten und darauf die Propheten mit Spruchbändern trägt; zuoberst Maria mit dem Kind. Im Randdekor Ranken mit Blumen und Früchte, eine Wilde Frau, zwei Windhunde. Am unteren Rand tragen drei Engel die Silenen-Wappen, um die Schildrundung die Aufschrift IODOCVS DE SILINON EP(iscopu)S SEDUNEN(sis).
260r: Sanctorale: in fest. s. Andree. Hl. Andreas: der hl. Andreas in einem Kreuzgang. Im Randdekor rechteckige Felder mit Früchten oder Blumen. Im unteren Rand Silenen-Rossstirnschild, gehalten von einem Wilden Paar; auf der rechten Ecke hält eine Wilde Frau einen weissen Windhund an der Leine.
Ganzseitige Miniaturen:
8v: Eingangsseite des Winterteils. Zwei Wilde Männer halten den Schild mit dem Wappen des Jost von Silenen (steigender roter Löwe auf Gold mit blauem Schildrand). In der oben Hälfte zeigen drei Engel die Insignien des Bischofs: links das Pedum mit Schriftband "IODOCVS / DE SILINON EP(iscopu)S / SEDVNENSIS", in der Mitte die Mitra und rechts das Regalienschwert und ein Schriftband mit "PREFECTVS / ET COMES P(at)RIE / VALLESII".
Einband:
230 x 160 mm.
Mit dunkelbraunem Leder bezogene Holzdeckel, um 1571, teilweise restauriert. Streicheisenlinien, Rollen- und Einzelstempel. Zur Verstärkung der Horizontalkanten verzierte Eisenblech-Streifen mit tiefen Zacken. Zwei Leder-Metall-Schliessen von der Kante des Rückdeckels zur Kante des Vorderdeckels (teilweise neu). Goldschnitt.
Inhaltsangabe:
Breviarium secundum usum et consuetudinem ecclesie sedunensis, pars hiemalis
f. Ir
leer, ausser spätere Eintragung (s.u. Provenienz)
ff. 9r-116rPsalterium hiemale>In nomine domini amen. Incipit psalterium secundum usum et consuetudinem ecclesie sedunensis. Et primo dominica prima post octavam festi corporis Christi. Invitatorium<Domini qui fecit nos …–…
Lumen ad revelacionem gentium et gloriam plebis tue Israel. Gloria patri. Sicut erat.
ff. 322r-351rCommune sanctorum>Incipit commune sanctorum. Et primo de evangelistis. Cap.<Vidi et ecce ventus turbinis …–…
obviam Christo domino.
ff. 351r-358rOfficium BMV>His sequntur ix lectiones sabbatinis diebus de b. virgine<(351v) Generosa Christi cella …–…
eterni patris filium salvatorem. Gloria salus.
ff. 363v-368rOfficium s. Antonii erem.>Incipit officium sancti Anthonii<(364r) Dilectus Deo et hominibus beatus Anthonius …–…
tendit ubique tuis. Mag. Oratio ut supra.
ff. 368r-371vAntiphonae de BMV – Benedictiones etc.>In adventu Domini usque ad nativitatem domini< …
Prophete sancti predicaverunt nasci Salvatorem …–…
perducat nos regina celorum. Amen.
Entstehung der Handschrift: Hergestellt für Jost von Silenen, Bischof von Sitten (s. Wappen und Namen auf f. 8r und 118r) im Jahr 1493 (s. Band 2, 8v).
Provenienz der Handschrift:
Jost von Silenen erhielt 1496, bei seiner Absetzung als Bischof von Sitten, die Erlaubnis, das Brevier und andere Bücher mitzunehmen.
Um 1570/80 befand sich das Brevier im Wallis, da es zu diesem Zeitpunkt von einer Sittener Werkstatt einen neuen Einband erhielt.
Laut dem Vermerk auf f. Ir (Bibliotece de Riedmatten, leicht radiert, darunter De Riedmatten, von anderer Hand, verstrichen) war das Brevier, 1646 in der Bibliothek von Adrian III. von Riedmatten (1610-1646).
1884 wurde es von der Familie Riedmatten an den Pariser Buchhändler Damascène Morgand verkauft (s. Papieretikette im Hinterdeckel von Bd. 2 und Jörger 2001, 512-513).
Erwerb der Handschrift:
1899 bei Rahir & Cie., Paris, von der Schweizerischen Eidgenossenschaft angekauft und dem Landesmuseum in Zürich übergeben.
Bibliographie:
Mohlberg Leo Cunibert, Katalog der Handschriften der Zentralbibliothek Zürich I, Mittelalterliche Handschriften, Zürich 1952, S. 298-299.
Leisibach Joseph, Schreibstätten der Diözese Sitten (Scriptoria medii aevi Helvetica, Bd. XIII) Genf 1973, 68-71.
Jörger Albert, Bréviaire de Josse de Silenen (1493) évèque de Sion. Album publié à l'occasion du dixième anniversaire de Sedunum Nostrum, version française par G. Cassina, Sion 1980.
Himmel, Hölle, Fegefeuer. Das Jenseits im Mittelalter. Kat. der Ausstellung, Zürich, Landesmuseum, hrsg. von P. Jezler, Zürich 1994, S. 256 (Susan Marti).
Vallet Alessandra, Il miniatore di Giorgio di Challant. L'arte e la vita di un artista itinerante nella regione alpina occidentale alla fine del Medioevo, Aosta 1999, 45-56.
Epperlein Siegried, Leben am Hofe Karls des Grossen, Regensburg 2000, S. 47, Abb.
Jörger Albert, Der Miniaturist des Breviers des Jost von Silenen. Ein anonymer Buchmaler um 1500 und seine Werke in Fribourg, Bern, Sitten, Ivrea und Aosta, Sitten 2001 (Beihefte zuu Vallesia 6), bes. 509-627.
La Ferla Anna, "Et per tutto il suo nome era celebre": Giorgio di Challant, in: Corti e città. Arte del Quattrocento nelle Alpi occidentali, a cura di E. Pagella, E. Rossetti Brenzi, E. Castelnuovo, Torino-Milano 2006, S. 435.
Vallet Alessandra, Miniatori e miniature, protagonisti in itinere della fioritura artistica nell'occidente delle Alpi. L'esempio del Miniatore di Giorgio di Challant, in: Entre l'Empire et la mer. Traditions locales et échanges artistiques (Moyen Age-Renaissance). Actes du colloque de 3e cycle romand de Lettres, Lausanne-Genève, 22/23 mars, 19/20 avril, 24/25 mai 2002, sous la dir. de M. Natale et S. Romano, Roma, 2007, SS. 57-59.
Jörger Albert, Ein wandernder Buchmaler um 1500, in: Kunst + Architektur in der Schweiz, 58 (2007), 45-52.
Vallet Alessandra, "Et fut accomply ledit Missal...". Un capolavoro riscoperto e alcuni spunti di indagine sull'opera del Miniatore di Giorgio di Challant, in: Georges de Challant, priore illuminato. Atti delle giornate di celebrazione del V centenario della morte, 1509 – 2009, a cura di R. Bordon, O. Borettaz, M.-R. Colliard, V. M. Vallet, Aosta 2011, 121-149, 305.
Des Saints et des hommes, hrsg. von S. Baiocco und M.-C. Morand, Mailand 2013, S. 166, Fig. 35; in italienisch: Uomini e santi, l'immagine dei santi nelle Alpi occidentiali alla fine del Medioevo, Milano 2013, p. 166, fig. 35.