Für diese Handschrift sind folgende Beschreibungen vorhanden

  • Beschreibung für e-codices von Rudolf Gamper, Kantonsbibliothek St. Gallen, Vadianische Sammlung, St. Gallen 2009.
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  • Euw Anton von, Die St. Galler Buchkunst vom 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts. (= Monasterium Sancti Galli, Bd. 3) Band I: Textband. St. Gallen 2008, S. 329- 331.
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St. Gallen, Kantonsbibliothek, Vadianische Sammlung, VadSlg Ms. 292
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Euw Anton von, Die St. Galler Buchkunst vom 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts. (= Monasterium Sancti Galli, Bd. 3) Band I: Textband. St. Gallen 2008, S. 329- 331.

Handschriftentitel: Psalterium Gallicanum mit Cantica
Entstehungsort: St. Gallen
Entstehungszeit: Teil I: 2. Viertel d. 9. Jh.
Katalognummer: Nr. 34
Frühere Signatur: VadSlg. Ms. 8a
Umfang: 180 Bll.
Format: 28,5 x 20 cm
Lagenstruktur:
  • Quaternionen: 20 IV160 + (III + I)167 + III173 + (I +I)176 + II180.
  • Das zur ersten Lage gehörende fol. 1r war von Anfang an mit der noch erhaltenen Arkade geschmückt, in deren Raum möglicherweise eine Darstellung König Davids vorgesehen war. Die jetzt dort stehenden Gebete stammen wohl aus dem 12. Jh. (vgl. Teil II). Im 9.- 11. Jh. wurden fol. 164r-167v sowie fol. 176r-180v, im 12. Jh. der Liber Hymnorum fol. 168r-175v hinzu gefügt. Er enthält fol. 175v das bekannte Dedikationsbild, in dem oben der hl. Gallus dem die «Hymnen» schreibenden Papst Gregor gegenüber sitzt und vom Mönch Eberhart in der unteren Zone das dargebrachte Buch entgegen nimmt.
Seiteneinrichtung: Schriftspiegel 20,5 x 15 cm, einspaltig zu 20 Zeilen.
Schrift und Hände:
  • Gerade karolingische Minuskel in dunkelbrauner bis schwarzer Tinte
  • Im alten Teil des Psalters besteht eine Kluft zwischen der voll ausgebildeten karolingischen Minuskel des Schreibers und den recht altertümlich wirkenden Initialen, die er wohl selbst ausführte und deren Gesamtform in der Nachfolge des Wolfcoz-Psalters Sang. 20 (Nr. 33) steht.
Buchschmuck:
  • Psalmtituli in Rustica mit Purpur, Anfänge der Verse mit Majuskeln in Minium, gelb und grün schattiert.
  • Kleinere Initialen in Purpur oder Minium, gelb und grün gefüllt.
  • Größere Initialen zu den Dekadenpsalmen mit Zeichnung in Purpur und Minium, fortlaufende Zeilen in Uncialis und Halbunziale mit Minium, gelb und grün schattiert.
  • Zu den Psalmen 1, 51 und 101 Initialzierseiten in Purpur und Minium, teilweise mit Goldtinte gefüllt, fortlaufende Zeilen in Form von Initialen oder in Hohlcapitalis mit Gelb und Grün.
  • Hohlcapitalis und Initialen auch zu Ps 118 und zum Beginn der Cantica.
  • Der Illuminator ist von zwei künstlerischen Strömungen inspiriert, nämlich von der irischen und der franco-insularen. Die irische Tradition wird beispielsweise am unzialen a(ttendite) fol. 79r Ps 77 gut ablesbar. Sein verzogener Buchstabenkörper erinnert an Buchstabenligaturen wie das IN(principio) fol. 192r im Book of Durrow (Dublin, Trinity college, Ms. 57). Die Initialzierseite b(eatus vir) fol. 2r mit dem unzialen b weist dagegen eindeutig auf ein Hauptwerk der franco-insularen Schule hin, nämlich auf den in Saint-Bertin im 2. Viertel des 9. Jh. entstandenen Psalter König Ludwigs des Deutschen (843-876), heute Staatsbibliothek Berlin, Ms. theol.lat. fol. 58. Seine Initialornamentik bildet eine Synthese aus der merowingischen und insularen Buchmalerei. In der b(eatus)-Zierseite fol. 3r im Psalter Ludwigs des Deutschen finden sich entsprechende Raubvogelköpfe. Aber auch die Bibliothek St.Gallens besitzt als Sang. 15 wahrscheinlich seit dem 9. Jh. ein franco-insulares Psalterium, das wohl ebenso aus dem in Saint-Omer gelegenen Kloster Saint-Bertin stammt. Seine B(eatus)-Zierseite p. 1 mit den Vogel- und Hundsköpfen vermag die Richtung, aus der die Anregungen kamen, anzugeben (vgl. Fabrizio Crivello, La miniatura a Bobbio tra IX e X secolo e i suoi modelli carolingi, Turin/London/Venedig 2001, S. 95 f., fig. 7). Mit ihrem teilweise schweren Flechtband nimmt die Initialornamentik des Vadiana-Psalters eine neue Dimension ein, die dann in St.Galler Hss. wie Sang. 367 (Nr. 35) zur Vervollkommnung gelangt. Dennoch bleibt vieles dem Wolfcoz-Psalter Sang. 20 vergleichbar, so die Nuancen der Hohlcapitalis im Vadiana-Psalter, die auf den Zierseiten zu Ps 118 (fol. 125v) sowie zu den cantica (fol. 157v) gut zur Geltung kommen. Sie gehören wohl zu einem etwas jüngeren Mitarbeiter des Wolfcoz. Eindrucksvoll sind schließlich die christologischen Psalmtituli der Hs., die sich von jenen in Zürich C 12 und Sang. 20 (Nr. 32 und 33) nicht nur im Text, sondern auch in der Verwendung von Purpur unterscheiden. Vad. 292 wird zusammen mit ihnen seit dem 9. Jh. zu den St. Galler Chorpsalterien gehört haben.
Einband: Holzdeckel, gelbes Leder, Streicheisenverzierung, zwei Leder-Messing-Schließen, wohl 20. Jh.
Provenienz der Handschrift: Wie Teil II mit dem St. Galler Dedikationsbild nahelegt, war die Hs. im 12. Jh. in St. Galler Klosterbesitz. Die drei Teile wurden um 1461 zu einer Handschrift zusammengebunden. Die Handschrift ist im Handschriftenkatalog der Vadianischen Bibliothek (Stadbibliothek) von 1649 (Vad. Slg. Ms. 8a) verzeichnet (vgl. Nr. 102).
Bibliographie:
  • Gustav Scherrer, Verzeichnis der Manuscripte und Inkunabeln der Vadianischen Bibliothek in St.Gallen, St.Gallen 1864, S. 71-73.;
  • Merton, S. 20 f., Taf. 7.;
  • Peter Wegelin, Kostbarkeiten aus der Vadiana St.Gallen, in: Librarium. Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft 31,1988, S. 23-27 (Abb. 2).;
  • Derselbe, in: Die Bibel in der Schweiz: Ursprung und Geschichte, hrsg. von der Schweizerischen Bibelgesellschaft, Basel 1997, S. 29 f., Abb. s. 30.;
  • Mechthild Pörnbacher, Vita Sancti Fridolini: Leben und Wunder des heiligen Fridolin von Säckingen, beschrieben von Balter von Säckingen, Bischof von Speyer: Texte - Übersetzung - Kommentar, Sigmaringen 1997, S. 197, Abb. 26.;
  • Anton Von Euw, Anfänge und Höhepunkte der St.Galler Buchkunst, in: Die Kultur der Abtei St.Gallen. Vorträge im Studium Universale anlässlich der Ausstellung vom 1. April bis 18. Mai 1996 in der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (Bonner Akademische Reden 77), Bonn 1997, S. 60-81,bes. 60 f., Abb. 2-3.;
  • Derselbe, in: Kloster St.Gallen, S. 172.
Kodikologische Einheit: Teil I
Buchschmuck:
  • 1r Nicht vollständig erhaltenes Blatt mit leicht hufeisenförmiger Arkade mit Flechtband- und Tierfeldern, an den Kapitellen symmetrische Vogelkopfpaare, Flechtband grün, gelbe Felder mit Tieren in Minium. In der Arkade Orationen und Segnungen;
  • 1v-157r die 150 Psalmen,
  • 1v Titelseite mit ganzseitiger Initiale I(n Xpi. nomine incipit psalterium de translatione LXX interpretum emendatum a sco. Hieronimo prbo. in novo), an Fuß und Krone Vogelkopfpaare, im Schaft tulpenförmige Ornamente, Fuß mit Flechtband verlängert, die nachfolgenden zeilen in Capitalis, abwechselnd mit Minium und schwarz, golden schattiert,
  • 2r Ps 1 Initialzierseite b(eatus vir), unzial, in den Bogen Flechtband und Scheinknoten in der Mitte, Krone als Flechtbandknoten mit Vogelköpfen, die Buchstaben (b)EA(TVS) als kleine Initialen, das unziale a mit Tierkopf, oben links von der Krone der christologische Psalmtitulus,
  • 6r Ps 7 D(ne. Ds. meus), Bogen als Drachen, dessen Vorderläufe das Binnenmotiv bilden,
  • 10v Ps 11 s(alvum me fac), präzise Zeichnung,
  • 14v Ps 17 d(iligam), zwei Hunde bilden den unzialen Buchstabenkörper,
  • 33v Ps 32 I(udica Dne), oben und unten ein Hundskopf,
  • 43v Ps 41 Q(uem admodum desiderat cervus), große Cauda mit zoomorphem Kopf,
  • 53r Ps 51 Q(uid gloriaris), ganzseitig, Buchstabenkörper aus zwei gegenständigen vierbeinigen Drachen, aus ihren Rachen wächst das Binnenmotiv als lockeres Flechtband, das in die drachenkopfförmige Cauda übergeht, oben und links von der Initiale der Psalmtitulus: Et dixit illi. Ecce venit David in domum Abimelech. Vox prophetae de Iuda vel antichristo, neben der Cauda rechts eine raumfüllende Ranke,
  • 61r Ps 61 N(onne Do.), beringt, Tierköpfe,
  • 63r Ps 64 T(e decet ymnus), geschwungen zugespitzter Schaft,
  • 79r Ps 77 a(ttendite populus meus), unzial, der linke Schaft fast ganz über die Seite hinunter gezogen, der rechte überdacht den linken, an allen drei Enden Flechtbandknoten, unten und seitlich mit Vogelkopfpaaren,
  • 96v Ps 91 b(onum meum confiteri), unzial und offen, oben vogelkopfpaar,
  • 104r Ps 101 d(ne. exaudi), ganzseitig unzial, Mittelknoten an Bogen und Krone in Flechtband, ebenso das kettenförmige Binnenmotiv, links oben raumfüllend ein Blattzweig,
  • 125v Ps 118 b(eati immaculati), unzial, durch Grösse besonders ausgezeichnet,
  • 137v Ps 122 a(d te levavi oculos), unzial, oben Vogelkopf mit Pfauenfedern,
  • 141v Ps 131 M(emento), Betonung des Dekadenpsalmes durch grössere Initiale,
  • 146r Ps 136 c(onfitebor tibi Dne.), oben langschnäbeliger Vogelkopf,
  • 149v Ps 141 u(oce mea), an den Enden des geschwungenen Bogens Vogelköpfe,
  • 156v Ps 150 L(audate Dnm.), geschwungener Buchstabenkörper, unten etwas gefiedert, oben «embryonaler» Drachenkopf,
  • 157v Initialzierseite zu den Cantica: Canticum Esaiae prophetae (in farbiger Hohlcapitalis). C(onfitebor tibi),
  • 161v symbolum apostolorum,
  • 164r Incipit letania: […] Urse, Haimramne, Luci, Albane, Bonefaci, Leodegari, Desideri, Benigne, Symphoriane, Medarde, Vedaste, Gereon, Dionysi cum soc., Maurici cum soc., Landberte, Amande, Quintine, Domnine, Ermagora, Vigili, Valens, Senesi, Gordiani, Epimachi, Sulpici, […] Remedi, Germane, Ambrosi, Sauine, Zeno, Columbane, Procule, Firme, Benedicte […] Galle, Fridoline;
Inhaltsangabe:
  • fol. 1r Arkade mit Gebet an Christus und Maria um Schutz und Segen.
  • 1v- 157r die 150 Psalmen
  • 157v-163v Cantica, Symbolum (zwischen fol. 160 und 161 fehlen einige Blätter)
  • 164r-167v Litanei (zweispaltig), mit Gallus und Fridolin.
Kodikologische Einheit: Teil II
Entstehungszeit: (12. Jh.)
Inhaltsangabe:
  • fol. 168r-175v Liber ymnorum
  • 175v Dedikationsbild mit dem Schreiber Eberhart vor Gregor und Gallus (hier nicht behandelt).
Kodikologische Einheit: Teil III
Entstehungszeit: (9. Jh.)
Buchschmuck:
  • 177r - 179v Vorreden zum Psalterium (9. Jh.),
  • 180r Orationen (9. Jh. ?),
  • 180v in Doppelarkade eingeschrieben der Beginn einer zweiten Litanei, I(n Xpi. nomine incipit letania), bis Cosme, Damiani, omnes sci. martyres orate pro (wohl 9. Jh.).
Inhaltsangabe:
  • fol. 176r-180v verschiedenes (nach Scherrer Invocationes, Praef Hieronymi)
    • (176r-176v) Orationen (wohl um 1100);
    • (177r-179v) Vorreden zum Psalterium mit Initialen in Minium (9. Jh.);
      • (177r) Psalterium Romae dudum;
      • (177v) Psalterium inquirendum;
      • (178v) Sanctus Augustinus dixit, C(anticum psalmorum);
      • (179r) Dum multa corpora;
      • (179v) Legi litteras;
    • (180r) Orationen (wohl 9. Jh.);
    • (180v) Anfang einer Litanei unter Arkade in Minium (9. Jh.), Apostel, Stephanus, Cosmas und Damian.