Appenzell, Landesarchiv Appenzell I. Rh., M.03.02/PfAA A 2.1
Beschreibung bearbeitet für das Internet, 2015; auf der Grundlage von: Das Appenzeller Missale. Eine illuminierte Handschrift des 12. Jahrhunderts. Mit Beiträgen von Anton von Euw, Johannes Duft, Erika Eisenlohr, Hermann Bischofsberger und Stefan Sonderegger, Hrsg. von Anton von Euw und Hermann Bischofsberger, Appenzell 2004.
Handschriftentitel: Das Appenzeller Missale
Entstehungsort: Bistum Konstanz
Entstehungszeit: 3. Viertel des 12. Jahrhunderts
Frühere Signatur:
Appenzell, Katholische Pfarrei St. Mauritius
Beschreibstoff: Pergament
Umfang:
158 Blätter
Format: 310 x 220 mm
Lagenstruktur:
Lagen: 16 (1r-6v; Kalendar), 28-2 (7r-12v, 8 und 9 fehlen; Graduale), 38-78(13r-52v; Graduale), 88+1(53r-61v, 61 Einzelblatt; Graduale, Kyrie, Gloria, Sanctus, Agnus Dei), 98(62r-69v; Sequenzen), 104 (70r-73v; Sequenzen, Urkunde, Credo), 118-1 (74r-80v; alles Einzelblätter; Präfationen, Reliquienverzeichnisse, Sakramentar; 77 mit Canon missae entwendet, 79 und 79bis, letzteres nicht gezählt, sind Ergänzungen des 14./15. Jh.), 128-178 (81r-128v; Sakramentar), 188-6 (129r-130v, Bll. 2-7 herausgeschnitten; Sakramentar), 198(131r-138v; Sakramentar), 208-1 (139r-145v, 141 Einzelblatt; Sakramentar), 218-1 (146r-152v, 147 Einzelblatt; Sakramentar), 226-1 (153r-157v, 153 Einzelblatt; Lektionar-Teil), 231 (158 Einzelblatt, als Schmutzblatt ehemals auf dem Rückdeckel aufgeklebt).
Zustand: dreiseitig beschnitten, am oberen Rand besonders stark
Seiteneinrichtung:
Schriftspiegel des Kalendars einspaltig, 235 x 160 mm, zu 34 Zeilen; des Graduales einspaltig,235 x 170 mm, zu 24 Zeilen; des Sequentiars zweispaltig, 230 x 160 mm, zu 34 Zeilen; des Sakramentars einspaltig, 230 x 160 mm, zu 24 Zeilen; des Lektionar-Teils einspaltig, 230 x 160 mm, zu 27 Zeilen.
Schrift und Hände:
- Karolingische Minuskel des hohen Stils, im Kalendar mit schwarzer, in Graduale und Sequentiar mit dunkelbrauner bis schwarzer, im Sakramentar vorwiegend mit schwarzer Tinte. Verschiedene Schriftgrössen, im Graduale die kleinste, im Sakramentar die grösste. Prägotische Auszeichnungsschriften in Anlehnung an die klassischen Schriftarten der Capitalis, Rustica und Uncialis, teilweise nach insularer Art mit Minium gepunktet.
- Das Missale stammt von drei Berufsschreibern, von denen einer (A) das Kalendar, einer (B) das Graduale und einer (C) das Sakramentar sowie das Sequentiar und das Lektionar schrieb. Die grossen Minium-Majuskeln in allen Teilen scheinen jeweils von der Hand des Schreibers zu stammen. Ihre Unterschiede in Graduale und Kalendar entsprechen etwa den Unterschieden in der Schrift. Die kleine, äusserst präzise Schrift im Graduale und die in gleicher Tinte wohl Zeile für Zeile mitgeschriebene Neumierung durch den Schreiber B passen zu den grossen Initialen auf fol. 7r, 9v und 76v, so dass anzunehmen ist, er habe auch diese Initialen gemalt. Schreiber C imponiert mit seiner grossen, ebenso schwungvollen, in der Tradition der Reichenauer Prachthandschriften des 10. und 11. Jahrhunderts stehenden Schrift. Er könnte auch der Zeichner und Maler der mit christologischen Szenen und Figuren besetzten Initialen sein. Beide Illuminatoren haben in demselben Skriptorium Hand in Hand gearbeitet, was die Palette der dicht aufgetragenen Farben Rot, Blau und Grün deutlich belegt. Stilistische Parallelen zu den Figuren-Initialen finden sich in Werken maasländisch- rheinischer Herkunft, besonders auch in der Emailkunst der Zeit um 1150-1160. Die entsprechenden zeichnerischen und malerischen Phänomene dieser Kunst der Mitte des 12. Jahrhunderts sind weder in dem gut dokumentierten Skriptorium von Zwiefalten, noch in jenem von Weingarten nachzuweisen. Weingartener Prachthandschriften wie das Berthold-Sakramentar und Fulda Aa 32 aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts jedoch beruhen gewissermassen auf der Stilstufe des Appenzeller Missales. Daraus ergibt sich, dass sein Entstehungsort in Nähe dieser Klöster,jedenfalls im Bistum Konstanz zu suchen ist.
Buchschmuck:
- Titel der Tage und Feste des liturgischen Jahres stets mit Minium rubriziert, ebenso die abgekürzten Titel der einzelnen Textabschnitte (Gr., Of., Sec.. Ad co.). Zu den Anfängen der Monate im Kalendar, zu den Introitus-Anfängen in Graduale, den Sequenzen-Anfängen im Sequentiar sowie zu den Collecta-Anfängen im Sakramentar und den Lesungen im Lektionar grosse Majuskeln in leuchtend orangefarbigem Minium, in allen Teilen wohl von den Schreibern schwungvoll und pastos mit dem Pinsel gemalt.
- Zu den hohen Festen in Graduale und Sakramentar insgesamt 11 erhaltene Initialen in Federzeichnung, Buchstabenkörper pergamentausgespart, manchmal leicht gelb gehöht, die Bänderungen mit genieteten Schnallen zusammengehalten, blau und grün schattiert, eingebettet in ein rotes, grünes oder gelbes Feld, zumeist mit rotem, grünem oder blauem Streifen umrandet. Ranken, teilweise aus Drachen und Hunden (9v, 76r) gebildet, mit Blättern und Blüten verschiedener Art. Zu Ostern (36r), Himmelfahrt (103r), Pfingsten (43r, 104v) und Verkündigung des Herrn (118r) Initialen mit christologischen Szenen, teilweise verkürzt. Zum Fest des hl. Silvester (114r) Dreiviertelfigur des Papstes. Canon missae mit TE IGITVR und Kreuzigungsbild (77r-77v) entwendet.
- 7r (Graduale, Nr. 1), 1. Adventssonntag. A(D TE LEVAVI ANIMAM). Rankeninitiale mit kapitalem A, die folgenden drei Buchstaben D und TE in Uncialis, rot umpunktet, die zweite Zeile in Rustica.
- 9v (Graduale, Nr. 12), 3. Weihnachtsmesse. P(UER NATVS EST NOBIS et). Rankeninitiale mit einem Löwen, dessen Leib den Bogen des P bildet und aus dessen Schweif dieser Bogen vegetabil weiter wächst. Am Schaft des P oben ein Drachenkopfende, unten ein Drache. Er verbeisst sich in den Bogen des P, aus seinem Schwanz steigt eine Ranke zum Bogen auf und umwächst ihn. Die erste Zeile in Uncialis.
- 36r (Graduale, Nr. 89), Ostersonntag. R(ESVRREXI ET). Figureninitiale mit Darstellung der Frauen am Grabe. Unten die drei Marien als Halbfiguren hinter dem marmorierten Sarkophag, in dem der Knäuel des Leichentuches neben dem Arm der Maria mit dem Weihrauchfass sichtbar wird. Oben im Bogen des R die Dreiviertelfigur des Engels mit zur Rede (an die Frauen) erhobener Rechter. Die Bänder des Bogens sind durch eine Schnalle zusammengehalten, nach der Vereinigung werden sie zur Schlange und umwickeln den Schaft des R. Den Abstrich bildet ein Drache, dessen Kopf, sich in den eigenen Rücken verbeissend, den Bogen des R umschlingt, sein Schwanz spriesst vegetabil aus. Die folgende Zeile in Capitalis und Uncialis (ET). Der Anfang des Introitus zu Christi Himmelfahrt V(IRI GALILEI) (Graduale, fol. 42r, Nr. 114) ist nur mit einer Minium-Majuskel aus- gezeichnet.
- 43r (Graduale, Nr. 118), Pfingstsonntag. S(PIRITVS DOMINI REPLEVIT). Figureninitiale, unten mit neun Büsten von Aposteln, oben die aus einem Wolkensegment auf sie herab fliegende Taube (des HI. Geistes), die mit dem Kreuznimbus ausgezeichnet ist. Zweibändriger, in der Mitte von einer Schnalle zusammengehaltener Buchstabenkörper ohne Gerank. Die folgende Zeile in Capitalis und Uncialis.
- 76v (Sakramentar, Nr. 1), Präfation. P(ER). Grosse Rankeninitiale mit Drachenkopf am oberen Ende des Schaftes, an dem ein Löwe, ihn umwindend, aufsteigt und dem Drachen, der den Bogen des P bildet, in den Schwanz beisst. Unten am Stamm des In- itialkörpers entwächst eine grosse Ranke, die, in Gegenrichtung zur Bewegung des Drachens, in den Hohlraum des P aufsteigt und dort von einer Schnalle mit dem Schaft verbunden wird. In der ersten Zeile ist nur noch Platz für das (P)ER in Capitalis. In den zwei letzten Zeilen beginnt schon das VERE dIGNVM, abwechselnd in roten und blauen, mit Ausnahme des unzialen d, eines kapitalen Buchstabens.
- 80v (Sakramentar, Nr. 5), 3. Weihnachtsmesse. C(ONCEDE Q[VAESVMV]S). Einfache Rankeninitiale, Buchstabenkörper von einer Schnalle zusam- mengehalten. An den Enden entspriessen, nach innen wachsend, symmetrisch zwei Ranken, die sich zum Wachstum einer Blüte mit Fruchtknoten vereinen. Das auf der Zeile folgende (C)ONCEDE Q(AESVMV)S ist in Capitalis geschrieben.
- 1OOr (Sakramentar, Nr. 73), Ostersonntag. D([EV]S QVI). Einfache Rankeninitiale mit symmetrischer Doppelranke, die dem Bo- gen des Buchstabenkörpers entwächst, am Schaft zweimal verklammert wird und an den Enden jeweils eine Dreiblattblüte treibt. Die Bänder des Bogens hält in der Mitte eine Schnalle zusammen.Das (DEV)S QVI folgt in Capitalis.
- 103r (Sakramentar, Nr. 87), Christi Himmelfahrt. C(ONCEDE). Figureninitiale ohne Ranken, die Bänderung des Buchstabenkörpers in der Mitte von einer Schnalle zusammengehalten. Im Hohlraum abge- kürzte Darstellung der Himmelfahrt Christi. Aus dem Himmelssegment greift die Hand Gottes nach der ausgestreckten Hand des die Kreuzfahne geschultert tragenden, mit gewöhnlichem Nimbus ausgezeichne- ten Christus, dessen Halbfigur aus den Wolken ragt. Das (C)ONCEDE ist in Capitalis geschrieben.
- 104v (Sakramentar, Nr. 91), Pfingstsonntag. d([EV]S QVI). Figureninitiale mit der Taube des Hl. Geistes dargestellt in Untersicht auf Bauch und Beine, beim Sturzflug aus dem Himmelssegment, mit Kreuznimbus (vgl. fol. 43r, Taf. Vb), ohne Apostel. Die Cauda des un- zial geschriebenen d bildet ein Drache, der sich im Oval des mit zwei Schnallen belegten Buchstabens fest beisst. Das (dEV)S QVI folgt in Capitalis.
- 114r (Sakramentar, Nr. 132), Silvester. D(A Q[AESVMV]S). Figureninitiale mit zwei kleinen und einer grossen Klammer, ohne Ran- ken. Im Hohlraum die Dreiviertelfigur des hl. Papstes Silvester mit Mitra, Pallium, Bischofstab und Buch, den Blick zum Himmel gerichtet. die folgenden Buchstaben in Capitalis.
- 118r (Sakramentar, Nr. 149), Mariä Verkündigung. D([EV]S QVI). Figureninitiale mit zwei kleinen und einer grossen Klammer ohne Ran- ken. Im Hohlraum links der Erzengel Gabriel mit Redegestus, rechts Maria, die Botschaft mit offener Hand empfangend, beide im Dreivier- telprofil wiedergegeben. Die folgenden Buchstaben in Capitalis.
Spätere Ergänzungen:
Reliquienverzeichnis A am unteren Rand von fol. 74v, Appenzell, 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Reliquienverzeichnis B am unteren Rand von fol. 75r, Appenzell, 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Reliquienverzeichnis B am unteren Rand von fol. 75r, Appenzell, 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts.
Einband:
Alte, wohl ursprüngliche Holzdeckel, H. 320 - B. 215 mm, seitlich etwas abgeschrägt, 6 Doppelbünde, weisses, bräunlich eingefärbtes Schweinsleder. Auf dem Rückdeckel noch zwei Metallplättchen für die in Verlust geratenen Messing- Lederschliessen (16 x 16 mm). Auf der Innenseite des Vorderdeckels zwei Löcher von den entfernten Stiften für die Schliessen, oben links Stempel (Pfarrei Archiv Appenzell), rechts die Signatur Jacob Wiser Kirchen Pfleger A(nn)o 1616. Er liess die Handschrift offenbar neu binden. Restauriert am 16./17. September 1971 von Louis Rietmann, St.Gallen.
Inhaltsangabe:
Der Inhalt des Appenzeller Missales gliedert sich in drei typische liturgische Grossgruppen, nämlich das Kalendar, das Graduale und das Sakramentar; am Schluss steht noch ein Ausschnitt aus einem Lektionar.
- 1.
1r-6v
Kalendar
Für eine zeitliche und örtliche Entstehung und für die Bestimmung nicht nur des Kalendars, sondern der ganzen Handschrift ausschlaggebend sind folgende Namen:
- 1. Manegoldus abb. o(biit) (1.5., gleichzeitig, von anderer Hand)
- 2. Wiborade v. et m., Anathasii epi. et cf. (2.5., fast gleichzeitig, von anderer Hand)
- 3. Berhtoldus epc. Const. o(biit) (21.5., wohl Anfang 13. Jh.)
- 4. Abbas Bertholdus Gallensis ob(iit) (10.6., wohl 13. Jh.)
- 5. Constantii epi. et m. (3.7., fast gleichzeitig, von anderer Hand)
- 6. Ermachore et Fortunati m. (12.7., wie Nr. 5)
- 7. Et divisio Aplor. (15.7., wie Nr. 5 und 6)
- 8. Et Dominici cfessoris. (5.8., kanonisiert 1234, 13. Jh.)
- 9. Egidii cfessoris. (1.9., wie Nr. 8)
- 10. Zenonis mart. (2.9., gleichzeitig, von anderer Hand)
- 11. Remacli epi. et conf. (4.9., wie Nr. 10, dieselbe Hand)
- 12. Et dedicatio ecclie. Constantien. (9.9., wie Nr. 10 und 11)
- 13. Venezlai m. (28.9., etwa gleichzeitig, wie Nr. 10 und 11)
- 14. Francisci (4.10., wohl 15. Jh.)
- 15. XI milia., Undecim milia virginum (21.10., 12. Jh. und 15. Jh.)
- 16. Commemoratio omnium fidelium Animarum (2.11., 15. Jh.)
- 17. Findani cf. (15.11., etwa gleichzeitig, wie Nr. 10 und 11)
- 18. Aniani et Augustini conf. et epor. et sci. Florini conf. (17.11., 15. Jh.)
- 19. Octava sci. Martini epi. (18.11., wie Nr. 18)
- 20. Sce. Elysabet matrone (19.11., wie Nr. 18 und 19)
- 21. O(biit) Hermannus ep. Const. (20.11., dieselbe Hand wie Nr. 10, 11, 17)
- 22. Zenonis epi., Conceptio sce. Marie (8.12„ wohl dieselbe Hand wie Nr. 10, 11, 17)
- 23 Heinricus abbas o(biit) (16.12., Anfang 13. Jh.)
- 24 Abbas Cünradus de Bussinanc probus atque fortis o(biit) (20.12., 1. Hälfte 13. Jh.)
- 25. Petri clavis erat quam semper ferre solebat (22.12., Nachtrag, wohl noch 12. Jh.)
- 26. Thome epi. de Cantuaria et mr. (29.12., kleine Schrift, noch 12. Jh.)
- 2.
7r-61v
Graduale
- 1. (7r-8r) Die 4 Adventssonntage (1-8)
- 2. (8v-16v) Weihnachten (Taf. IV), Epiphanie, 3 Sonntage nach Weihnachten, 1 Sonntag nach Epiphanie (9-39). In den Teilen 1 und 2 sind das Proprium de tempore und das Proprium de sanctis gemischt, letzteres beginnt mit Lucia (13.12.) und endet mit Mariä Verkündigung (25.3.).
- 3. (16v-29r) Die Vorfasten- und Fastenzeit (40-80).
- 4. (30v-36r) Palmsonntag und die Karwoche (81-88).
- 5. (36r-39v) Ostern mit Oktav und 4 Sonntage nach Ostern (89-100).
- 6. (39v-44r) Himmelfahrt Christi, Pfingsten und die Pfingstoktav (101-124). In diesem Teil sind das Proprium de tempore und das Proprium de sanctis gemischt, letzteres beginnt mit Tiburtius, Valerianus, Maximus (14.4.) und endet mit Urban (25.5.).
- 7. (44r-52r) Proprium de sanctis von Marcellinus und Petrus (2.6.) bis Andreas (30.11.) (125-199).
- 8. (52r-52v) Die Totenmesse (200).
- 9. (52v-58v) De sancta Trinitate (201) und 23 Sonntage nach Pfingsten (202-227) mit der Woche nach dem 17. Sonntag (218-221).
- 10. (58v-60r) Die Alleluia-Reihen des Commune sanctorum (1-5).
- 11. (60r-61v) Kyrie (1-8), Angelica laus (1-5) , Sanctus (1-2), Dei (1-2).
- 12. ( 62r-73r) Die Sequenzen (1-50) und das Credo.
- 3.
76v-154v
Sakramentar
- 1. 76v-80r (bzw. 79bis r) Präfation und Canon missae (1).
- 2. (79bis v-82v) Weihnachten, Epiphanie mit Oktav, Proprium de sanctis von Stephanus (26.12.) bis Innocentum (28.12.) gemischt (1-15).
- 3. (82v-84r) Die 6 Sonntage nach Epiphanie (I + I-V) (16-21).
- 4. (84r-94v) Vorfastenzeit und Fastenzeit (22-63)
- 5. (94v-100r) Palmsonntag und Karwoche (64-72).
- 6. (100r-103r) Ostern mit Oktav und Weisser Sonntag, 4 Sonntage nach dem Weissen Sonntag (73-85).
- 7. (103r-105v) Christi Himmelfahrt, Sonntag danach, Pfingsten mit Oktav (86-97).
- 8. (106r-112r) Die 23 Sonntage nach Pfingsten (ohne Trinitätssonntag) (98-123).
- 9. (112r-114r) Die 4 Adventssonntage (124-131).
- 10. (114r-134r) Proprium de sanctis von Silvester (31.12.) über Felix (14.1.) bis Thomas (21.12.) (132-244).
- 11. (134r-135v) Commune sanctorum (245-250).
- 12. (135v-136v) Dedicatio ecclesiae (vel) altaris (251-253).
- 13. ( 136v-150v) Votivmessen (254-302).
- 14. (150v-154v) Totenmessen und Missa universalis (303-320).
- 4. 62r-73v Sequentiar
- 5. 74r-76v Präfationen zu den hohen Festtagen
- 5. 155v-157v Lektionar
Entstehung der Handschrift:
- Die Handschrift gehört dem im 12. und 13. Jahrhundert weit, besonders aber im Bistum Konstanz verbreiteten Typus des Missales mit getrennten Corpora (Kalendar-Graduale-Sequentiar-Sakramentar-Lektionar) an. Sein Kalendar ist aussergewöhnlich reich mit Heiligenfesten besetzt, von denen jedoch keines als Patronatsfest rubriziert ist. Die durch besondere Anfangsbuchstaben betonten Feste (besonders Herren- und Marienfeste) reichen zu einer Lokalisierung nicht aus. Dagegen weisen u.a. die mit dem Erstbestand etwa gleichzeitigen Nachträge der Kirchweihe des Konstanzer Münsters (9.9.) und des Todestages von Bischof Hermann von Konstanz (1138-1165, † † 20. November 1165) darauf hin, dass die Handschrift für eine sich im Bistum Konstanz befindliche Kirche vor 1165 geschrieben worden sein muss. Textvergleiche in Graduale, Sequentiar und Sakramentar ergeben eine weitgehende Ubereinstimmung mit entsprechenden Werken aus Klöstern der Hirsauer Reform wie Allerheiligen zu Schaffhausen, Zwiefalten und Weingarten. Jedoch fehlen sowohl im Kalendar wie im Commune sanctorum und in anderen Teilen die für jene Klöster jeweils eigenen Patrone und Typica. Man kann das Appenzeller Missale als benediktinische, hirsauisch geprägte Allgemeinausgabe bezeichnen. In Graduale und Sequentiar steht es dem Typus des Codex Einsidlensis 121 nahe, sein Sakramentar ist ein Hadrianisches Gregorianum mit Einschüben aus dem Gelasianum.
- Der Textbestand, vor allem die 50 Sequenzen, aber auch das Commune sanctorum sowie die Votiv- und Totenmessen im Sakramentar, lassen darauf schliessen, dass das Missale für einen Mönchs-, Nonnen- oder Kanonikerkonvent bestimmt und um 1150-1170 in einem Kloster oder Priorat in Gebrauch war.
Provenienz der Handschrift:
- Danach, wohl um 1180 wurde es der 1071 geweihten Pfarrkirche von Appenzell geschenkt und auf fol. 73r-74v neben dem Credo mit der Abschrift der Stiftungsurkunde versehen. Dort diente es bis zum 16./17. Jahrhundert als Messbuch für die Messfeiern und liturgischen Handlungen des Pfarrers von Appenzell, der darin, ausser den Episteln und Evangelien, alle vorzutragenden Gebete und Gesänge fand. Bischöfliche Riten sind darin nicht enthalten. In dieser Zeit wurde das Kalendar durch die Namenseinträge vieler Verstorbener zum Nekrolog der Pfarrkirche von Appenzell. Es gibt Zeugnis von der Bindung der Gemeinde an die Gründerabtei St.Gallen und den Bischofssitz Konstanz. Von besonderer Bedeutung für die Geschichte Appenzells werden jedoch die Namen der verstorbenen Pfarrkinder und deren Herkunftsbezeichnungen (Flurnamen). In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurden am unteren Rand auf fol. 74v und 75r zwei Reliquienverzeichnisse eingetragen, die Aufschluss über den Reliquienbestand der Kirche von Appenzell geben.
- Auch im 14. und 15. Jahrhundert war das Missale noch voll in Gebrauch. Dies zeigen die vielen Nachträge vor allem im Sakramentar-Teil, die, entsprechend den Nachträgen im Kalendar, Texte für Silvester, Thomas, Julianus, Maria Magdalena, Anna, Martin, Nikolaus, Katharina, Maria u.a. enthalten. Im 15. Jahrhundert wurde das Graduale zwecks besserer Auffindung der nur mit den Anfängen wiedergegebenen Gesänge an Orten, wo sie ausgeschrieben waren, mit römischen Zahlen foliiert. Schwer erklärbar ist die Lücke von 6 Blättern in Lage 18 im Sakramentar (13.8.-16.10.), die u.a. das Appenzeller Patronatsfest des hl. Mauritius sowie den Anfang des Gallusfestes enthielten. Auch der Austausch von 4 Seiten am Beginn des Sakramentars im 14./15. Jahrhundert mit einem Teil des Canon missae sowie den Texten für den 1. und 2. Adventssonntag durch neu geschriebene Einzelblätter wirft ungelöste Fragen auf. Das letzte Blatt mit den drei an den Rand gezeichneten Wappen wohl der Kirchenpfleger - u. a. des Jacob Wiser von 1616 - bürgt für die Hochschätzung des Missales noch im 17. Jahrhundert.
Erwerb der Handschrift:
Bibliographie:
- Stefan Sonderegger, Grundlegung einer Siedlungsgeschichte des Landes Appenzell anhand der Orts- und Flurnamen, in: Appenzellische Jahrbücher 85 (1957), S. 3-68.
- Rainald Fischer, Appenzell unter dem Kloster St.Gallen, in: Appenzeller Geschichte. Zur 450-Jahrfeier des Appenzellerbundes 1513-1963, hrsg. von den Regierungen beider Halbkantone Appenzell, Bd. 1: Das ungeteilte Land (Von der Urzeit bis 1597), verf. von Rainald Fischer, Walter Schläpfer u. Franz Stark, Urnäsch 1964, S. 27-120, hier S. 45f.
- Johannes Duft, Die Appenzeller Urkunde vom Jahr 1071. Eine Geschichtsbetrachtung zum Jubiläum, in: Appenzeller Volksfreund 96 (1971), Nr. 153 vom 10. Sep., S. 17-20.
- Ders., Die Urkunde für Appenzell aus dem Jahre 1071, in: St. Galler Kultur und Geschichte, hrsg. vom Staats- und Stiftsarchiv St. Gallen, Bd. 2 (=Festgabe für Paul Staerkle zu seinem 80. Geburtstag am 26. März 1972), St. Gallen 1972, S. 27-42.
- Rainald Fischer, Das romanische Missale der Pfarrkirche Appenzell, in: Appenzeller Volksfreund 99 (1974), Nr. 18 vom 2. Feb., S. 9.
- Ders., Die Kunstdenkmäler des Kantons Appenzell Innerrhoden (=Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Bd. 74), Basel 1984, S. 219-223, Abb. 236-238.