Aarau, Aargauer Kantonsbibliothek, MsWettFm 2

Bretscher-Gisiger Charlotte / Gamper Rudolf, Katalog der mittelalterlichen Handschriften des Klosters Wettingen. Katalog der mittelalterlichen Handschriften in Aarau, Laufenburg, Lenzburg, Rheinfelden und Zofingen, Dietikon-Zürich 2009, S. 158-160.

Mit freundlicher Genehmigung des Verlags (Urs Graf Verlag, Dietikon). Das Copyright an der Handschriftenbeschreibung liegt beim Verlag.
Handschriftentitel: Graduale OESA, Proprium de tempore, pars aestivalis
Entstehungsort: Köln
Entstehungszeit: 1330-1335
Beschreibstoff: Pergament
Umfang: 187 Blätter
Format: 61 x 41 cm
Seitennummerierung: Alte Foliierung: 1 unfoliiertes Blatt. XI-LXXXVI. 1 unfoliiertes Blatt. LXXXVII-CLXXXIX. 1 unfoliiertes Blatt. I-IV. VII; neuere Foliierung: 1. 8-187. 2-7.
Lagenstruktur: 11 + 5 V57 [Bl. 2-7 am Schluss] + 3 (V+1)90 + 4V130 + (IV+1)139 + 4 V179 + IV187 + 12 + (V-5)7. Bl. 2-7 irrtümlich am Schluss eingebunden. Zwischen Bl. 6 und 7 fehlt ein Doppelblatt; nach Bl. 7 drei Blätter herausgeschnitten, am Schluss fehlen mehrere Lagen. Textverlust. In die Lagen eingefügte Einzelblätter: Bl. 63, 72, 84, 131.
Zustand: Zahlreiche Blätter am Rand mit Pergament geflickt.
Seiteneinrichtung: Tintenliniierung, Schriftraum 40-41 x 26-27, 5 Zeilen
Schrift und Hände: Textura wohl von einer Hand.
Musiknotationen: mit Notenschema. Quadratnotation auf 4 Linien.
Buchschmuck:
  • Rubriziert, Überschriften rot, Blattzählung in Rot und Blau.
  • Einzeilige schwarze Initialen mit einfachem schwarzem, selten mit rotem Fleuronné, einzeilige rote und blaue Lombarden mit reichem Fleuronné in der Gegenfarbe, rot-blaue Zierleisten als Zeilenfüllung. Zu Beginn der Invitatorien einzeilige rot-blau ornamental gespaltene Lombarden mit Fleuronné und Fleuronnéstab in den gleichen Farben, häufig mit kleinen Vögeln.
  • Zu den Hauptfesten ganzseitige, historisierte Initialen aufgerahmtem Goldgrund, Buchstabenkörper in Blau und Altrosa, gefüllt mit Blattmotiven und in Blätter auslaufend, 39r, 54v, 69r, 72v und 3r mit Flechtbändern, auf den Rankenausläufern Hasen- oder Hirschjagd und Vögel, 175v Buchstabenkörper mit Grotesken, auf den unteren Rankenausläufern ein singender und ein Orgel spielender Augustinermönch. 39r Auffahrt: Himmelfahrt Christi; 54v Pfingsten: Heiliger Geist senkt sich auf die Apostel; 69r Trinitas: Gnadenstuhl; 72v Corpus Christi: Abendmahl; 175v Dedicatio ecclesiae: Weiheszene mit Bischof; 3r (Bl. 2-7 nach Bl. 187 eingebunden) Ostern: Auferstehung Christi. Deckfarbenmalereien in Gold, Rot, Altrosa, Blau, Grün, Braun, Ocker, Grau, Schwarz und Weiss.
Spätere Ergänzungen: Vereinzelte Korrekturen und Nachträge, z. B. 10r, 68v, 182v. 3r alte Foliierung korrigiert von L zu I.
Einband: Mit dunklem Leder bezogene Holzdeckel, 14./15. Jh. Streicheisenlinien und Einzelstempel wie MsWettFm 3. Vorderdeckel: Kanten mit Messingstreifen umfasst, 4 Buckel auf Messingrosetten; Hinterdeckel: Kanten mit Messingstreifen umfasst, in den Ecken Messingbeschläge, von den ehemals 5 Buckeln nur einer erhalten. Zwei nach vorn greifende Langriemenschliessen mit Messingteilen, teilweise erneuert, obere Befestigung in die Mitte des Vorderdeckels versetzt. Spiegelblätter herausgerissen, in den Deckeln Reste und Leimabdrucke von Pergamentfragmenten, deren Einrichtung, Schrift und Notation mit der Handschrift übereinstimmen. Bl. 84 Signakel aus rotem Leder. Rücken erneuert.
Inhaltsangabe:
  • 1r leer.
  • 1v Antiphona. Antiphon zum Aspersionsritus. Asperges me domine
  • 2r-7v nach Bl. 187 eingebunden, siehe unten.
  • 8r-83v Proprium de tempore. Ostern - 2. Sonntag nach Pfingsten.
    • (8r) Feria 4a post Pascha. Alleluia>Psalmus.< Cantate domino canticum novum …–… psallam nomini domini altissimi.
    • (39r) Himmelfahrt.
    • (54r) Pfingsten.
    • (69r) Trinitas.
    • (72r) Corpus Christi.
  • 84r-v Register. >Repertorium ad prompte inveniendum ea que in hoc volumine continentur secundum numeros supra notatos.< [I]n die Pasche. Introitus. Resurrexi
  • 85r-175v Proprium de tempore. Fortsetzung. 3. Sonntag nach Pfingsten - 23. Sonntag nach Pfingsten >Dominica iiia.< Respice in me …–… quia accipietis et fiet vobis. >Officium resumitur de preterita dominica videlicet Dicit dominus ego co[gito].<
  • 175v-181r Dedicatio ecclesiae. >In dedicacione ecclesie.< Terribilis est locus iste
  • 181r-182v Missae votivae. >Missa votiva de sancto spiritu.< Dum sanctificatus fuero … Weitere Votivmessen ohne Notation.
  • 182v-187v Missa pro defunctis. >Missa defunctorum.< Requiem eternam …–… >Versus<. Requiem eternam dona eis domine //. Schluss fehlt. Nach dem Register (84v) fehlt ausserdem das Sequentiar mit 9 Hymnen zu Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten, Trinitas, Corpus Christi und Dedicatio ecclesiae.
    [2r-7v Irrtümlich am Schluss eingebundene Blätter.]
  • 2r-v Antiphona. Antiphon zum Aspersionsritus an Ostern. Vidi aquam egredientem
  • 3r-7v Proprium de tempore. Ostern. Resurrexi et adhuc tecum sum …–… >Feria tercia< >Versus<. Confitemini //. Nach 7v fehlen 3 Blätter, nach 6v fehlt ein Doppelblatt. Textverlust. Fortsetzung 8r.
Entstehung der Handschrift: Köln, Buchmalerei von der Hand des Jüngeren Gradualmeisters, um 1330-1335 (Mollwo, Beer). Für ein Kloster der Augustiner-Eremiten geschrieben, zusammen mit MsWettFm 1 und 3 verwendet.
Provenienz der Handschrift:
  • Im 18. Jh. in Weningen OCist, von Martin Gerbert erwähnt im „Iter Alemannicum", St. Blasien 1765, S. 31f.: Hic item servantur chorales libri ingentis molis olim ecclesiae Tigurinae sacris adhuc catholicis addictae.
  • Schönherr vermutet als Vorbesitzer die Augustiner-Eremiten in Zürich.
Erwerb der Handschrift: 1v, 127r und 7v Stempel Kantonsbibliothek Aargau, 19.-20. Jh.
Literatur
  • Marie Mollwo, Das Wettinger Graduale. Eine geistliche Bilderfolge vom Meister des Kasseler Willehalmcodex und seinem Nachfolger, Bern 1944;
  • Bruckner, Scriptoria 7, S. 120;
  • Schönherr, Handschriften, Bd. 2, Nr. 2;
  • Alfons Schönherr, Das Wettinger Graduale, in: Zofinger Tagblatt 23.-27. April 1954;
  • Schönherr, Kulturgeschichtliches, S. 112f.;
  • Alfons Schönherr, Kulrurgeschichtliches aus dem alten Wettingen. Aus der Werkstatt des Aarauer Handschriftenkatalogs, Zürich 1955, S. 27-29;
  • Beer, Beiträge, S. 54f.;
  • Zumkeller, Manuskripte, Nr. 1399;
  • Peter Hoegger, The Fourreenth-Cenrury Gradual of Wertingen, in: 1000 Years of Swiss Art, hrsg. v. Heinz Horat, New York 1992, S. 30-57;
  • Peter Hoegger, Die Initialbilder im „Wettinger Graduale" und ihre stilistische Wurzeln, in: Badener Neujahrsblätter 1995, S. 80-99 mit Abb.;
  • Joan A. Holladay, The Willehalm Master and His Colleagues: Collaborative Manuscript Decoration in Early-Fourteenth-Century Cologne, in: Making the Medieval Book: Techniques of Production. Proceedings of the Fourth Conference of The Seminar in the History of the Book to 1500, hrsg. v. Linda L. Brownrigg, Los Altos Hills (California), London 1995, S. 67-91;
  • Hoegger, KDM Aargau 8, S. 347, 351, 353-356, Abb. 445, 448.