Hermetschwil, Benediktinerinnenkloster, Cod. chart. 214

Bretscher-Gisiger Charlotte / Gamper Rudolf, Katalog der mittelalterlichen Handschriften der Klöster Muri und Hermetschwil, Dietikon-Zürich 2005, S. 347-350.

Mit freundlicher Genehmigung des Verlags (Urs Graf Verlag, Dietikon). Das Copyright an der Handschriftenbeschreibung liegt beim Verlag.
Handschriftentitel: Gebetbuch
Entstehungszeit: Drittes Viertel des 15. Jahrhunderts
Frühere Signatur: 10.179.
Beschreibstoff: Papier
Wasserzeichen: Schere, ähnlich Piccard Werkzeuge und Waffen III 731 und 742 (1461–1462).
Umfang: 138 Blätter
Format: 10 x 7 cm
Seitennummerierung: Neuere Foliierung: 1–6. 6bis. 7–108. 108bis. 109–136.
Lagenstruktur: Lagen: 5 VI59 + (VI-2)69 + VI81 + (VI-3)90 + 3 VI125 + (VI-1)136.
Zustand: Nach Bl. 69 sind zwei Blätter herausgeschnitten; nach Bl. 85 fehlt ein Blatt, nach Bl. 86 fehlen zwei Blätter, Textverlust; nach Bl. 135 ist ein Blatt herausgerissen.
Seiteneinrichtung: Begrenzung des Schriftraumes mit Stiftlinien, Schriftraum 7–8 x 4–5, 15–22 Zeilen.
Schrift und Hände: Jüngere gotische Kursive und schleifenlose Bastarda von drei Händen: 1. Hand 1r69r, 91r129r, 2. Hand 70r86r, 3. Hand 129r133v.
Buchschmuck: Rubriziert, Überschriften rot, 1–3zeilige rote Lombarden. 1v Leimspuren eines ehemals eingeklebten Blattes.
Spätere Ergänzungen: Vereinzelte Korrekturen, z. B. 67v, 126r. 86v Nachtrag von einer wenig späteren Hand.
Einband: Mit rotem Leder bezogene Holzdeckel, 15. Jh. Streicheisenlinien, Einzelstempel, ehemals eine nach vorn greifende Kantenschliesse, Messingteile erhalten. Blau-weisse Kapitale. In den Fälzen biblische oder liturgische Fragmente (Dt 32,5–25), 14. Jh. Spiegelblätter Pergament. Auf dem Rücken Papierschild mit Signatur 214. Auf dem vorderen Spiegelblatt Papierschild mit Angaben zur Handschrift, 20. Jh.
Hauptsprache: Mundart: Hochalemannisch.
Inhaltsangabe:
  • 1r Federproben. Myn dinst zuvor liber. Almechtiger herre
  • 1v Notiz. a e i o u. Sonst leer.
  • 2r6v Otto von Passau: Die vierundzwanzig Alten (Auszug aus der elften Rede). Almechtiger here und ewiger gewaltiger vatter ich komme zu der engelschen und hymel[s]chen spise des zarten fronlichnams …–… myn arme sele in daz ewig leben. Amen.
    Werner Besch, Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert, München 1967, S. 387, Zeile 22–S. 388, Zeile 34. André Schnyder, Artikel Otto von Passau, in: Verfasserlexikon2, Bd. 7 (1989), Sp. 229–234.
  • 6bisr14r Gebete zu Gott, Christus und Maria. Almechtiger ewiger got vatter ich ermane dich das din eynge- borner sone unser here Jesus Cristus hing an dem froncrucz mit mynnender gotheyt
    Entspricht teilweise Cod. chart. 192, 46v47v und Cod. chart. 210, 80r81r. 7 Gebete, Initien im Register.
  • 14r22r Gebet zu Maria. >Eyn gut gebet von unser frauwen<. Sancta Maria eyn junckfrauw ob allen junckfrauwen, eyn mutter der barmherczigkeit ich bytt dich durch das schniden schwert das durch din sel und hercz schnayde
    Klapper Nr. 98,1.
  • 22r23r Gebet zu Christus. >Diß gebett ist von dem plůt Ihesu Christi<. Ich grusse hut das heilig rosenfarwe blůt das mynem liben heren Jesu Criste uß sinem heiligen herczen floß
  • 23r37v Geistliche Lehren über die Versuchungen. >Heylsam erczney wider fleischlich weltlich oder tuffelich anfechtung genomen und gesamelt uß dem lerer Wilhelmo Parisiensi und andern. Halt dich als her nach geschriben stett in den anfechtungen<. O ritter Cristi ist es sach dastu wirdest an gefochten und versucht von der welt oder vom libe oder auch von dem boßen geist
    Als Autoritäten sind neben Wilhelm von Paris genannt: Cassian, David, Hieronymus, Cassiodor, Boetius, Salomo, Jesus Sirach, Paulus, Augustinus, Johannes Chrysostomus, Hiob und Judas Maccabäus.
  • 37v39v Gebete zu Maria. Teilweise gereimt. >Diß nachgeschriben gebett hatt bestettiget sant Clemens. Alle die menschen die diß gebet sprechen den wirt geben zehen tusent dag ablaß < … .
    • (38r) O fraw und maget mynnecklich ein muter aller gnaden rich du bist ein gebererin und engelsche stymme heilig heylig süße o pia o reine magt Maria
  • 40r41r Gebet zu den Heiligen Drei Königen. >Von den drien konigen<. Konig Caspar konig Balthazar konig Melch[i]or, ich byt uch hüt durch uwer heiliger drier namen und durch die heilige driveltigkeyt
    Haimerl, Gebetbuchliteratur, S. 142, Anm. 875.
  • 41r54r Gebetslehre. >Eyn manung wie sich der mensch sol halten in synem gebette dorch die gancze wochen<. Freud und frid mit gotlicher gnade sy mit dir von got dem vater und von unsern heren Ihesu Christe. Amen. Min lieber sone nach mynem erkennen duncket mich wie du zu eynem hoen beschauwenden leben nit geschicket siest
  • 54r60v Gebetslehre für Mariengebete. >Von der notte und angst die unser liben frauwe gehebt hat hie uff ertrich etc.<. Do unser libe fraw zu hymel was gefarn da hett sant Johans der ewangelist groß pin und begird nach ir das er sy gern het gesehen noch ir hymelfart
  • 60v66r Exempel von Papst und Kaplan, Gebete zum Leiden Christi. >Von den drien Pater noster in sterbender nött<. Item man liset das einsmals was eyn babst, do er an dem dot bett lag, do fragt er sin capplan
    • (64r) O here Ihesu Christe durch das heylig gebett daz du tet an dem heiligen olberg fur uns armen sonder
    3 Gebete jeweils eingeleitet mit Kyrieleyson ... Vgl. Rudolf, Ars moriendi, S. 76.
  • 66v67r Salve regina. Deutsch. >Diß ist das Salve regina<. Got gruß dich konigin eyn muter der barmherczigkeyt
    Klapper Nr. 98,2, S. 351.
  • 67rv Veni sancte spiritus. Deutsch. >Daß veni sancte<. Kome du heyliger geist und erfulle die herczen diner gleubigen
    Mit Kollekte.
  • 67v69r Gebete für einen guten Tod. Ach her ich bit dich das din wonigkliches antlitz sy myn erster anplick myner sele so sy von hynnen scheyd
    • (68r) >Diß vorgeschriben gebet sprich alle dag mit drien Pater noster und Ave Maria so bistu sicher, dastu on das heylig sacrament nit von dieser zeit scheydest<. O warer licham zartt gottes son des werden lait mich in myner leczten fart hynnen von dieser erden
    • (68v) >Diß gebett sprich so man den kelch hebt<. O du kelch dez blutez klar unsers gottes und heren Ihesus hat erlöstet zwar uns mit dinen verreren
  • 69v leer.
  • 70r85v Ps.-Birgitta von Schweden: Fünfzehn Gebete zum Leiden Christi. >Veni sancte spiritus<. O aller miltigister Ihesu Christe würdige mich dich zu loben und zu singen mit lobe
    • >Dieß sint xv Pater noster und xv manung von dem wurdigen lyden Ihesu Christi und ist daz erst Pater noster<. O Ihesu Christe ewige sussickeit, die dich mynnet und ein jubelieren vorgen alle freude und alle begirde
    • Vgl. Ulrich Montag, Das Werk der heiligen Birgitta von Schweden in oberdeutscher Überlieferung, München 1968, S. 25f.
    • (81v) Schlussgebete: O aller mynniclichster herre Ihesu Criste diese manung und das gebet opfern ich dir der ungemeßen woldat diner aller heiligisten wonden
    • (82r) O vatter der barmhertzickeit wir die in dich getruwen bitten dich das du von diner überflußigen sußickeit
    • (82v) >Wie fro er waß da er schrib deo gracias<.
    • (83r) Es was ein witwe die hieß Brigida geborn von Sweden lant und wart erhaben under babest Bonifacio dem achten [sic] …–… und wo diß gebett würt //. Nach 85v fehlt 1 Bl., Textverlust.
  • 86r Magnificat. Deutsch, Anfang fehlt. // von dem stůl und hat erhöcht die demütigen
  • 86v Nunc dimittis. Deutsch. Nachtrag. >Das Nunc dimitis<. [N]un las here dyn knecht nach dinem wort in frede wan min ogen geshen habent dyn kelc
    Nach 86v fehlen 2 Bl., Textverlust.
  • 87r90r leer.
  • 90v Besitzeintrag und Federproben.
  • 91r117r Beichtlehre. Du solt zum ersten wissen das ein mensch der do gesondet hat wil der komen zu gnaden so müß er büsen. Die buß ist eyns von den syben sacramenten …–… Dustu diß vorgeschriben biecht von ganczem herczen so wirdestu ein kint dez ewigen lebens. Amen. >Ach so biechst hüt dastu morn auch zu bichten habst<
  • 117v125v Geistliche Lehren. >Jeronimus<. Ein scharff alicium [sic] und die veste sint ein woppen der puße. >Jeronimus<. O du durfftiger mensche gedenck was wir sin. Wir sterben allen dag …–… >Hie endet sich der lerer spruch. Nun bytten wir den heyligen geist umb den rechten glauben aller meinst das er uns behute an unserm ende, so wir heym farn usser dieser ellende<. Direkt anschliessend: >Jhesus Cristus Maria<. Wan du horest der namen einen nennen so solt du dich neygen alwegen. Aufreihung von Autoritäten (Hieronymus, Bernhard, Caesarius, Gregor, Augustinus, Salomo u. a.) zur Vergänglichkeit und Sündhaftigkeit der Menschen.
  • 126r127r Gebete zur heiligen Katharina. Deutsch. Suffragium. >Von sant Katherina<. Antiphona. Gegrusset sistu Katherina ein edel gestein der clarheytt yn glichniß des carvunckels
    Deutsche Übertragung von AH 26 Nr. 69, S. 202. Mit Versikel und Kollekt.
  • 127r129r Gebet zur heiligen Margareta. >Diß gebett ist von sant Margarethen<. O du vil heylige und lobliche maget unsers lieben heren Ihesu Christi heylige junckfrauwe sant Margaretha kom zu hilff mir armen sonderin
  • 129r133v Rosenkranz Mariens. >Diß nachgeschriben ist der kurtz rosenkrantz, den sol mann sprechen fur den langen so eins nit mag die zit han den langen ze sprechen und spricht also<: Gegrüsset sigest du Maria vol genoden, der her ist mit dir
    • (129v) Den du maget reine kusche enpfiengt von dem heiligen geiste …–… und gesetzet zů der rechten Hand. Amen. >Dem schriber ein Ave Maria<
  • 134r136v Vereinzelte Federprobe, sonst leer.
Entstehung der Handschrift: Die Grundlage für die Datierung auf 1490, 20. Jh., auf dem vorderen Spiegelblatt und dem Papierschild sowie bei Bruckner ist nicht ersichtlich. Verwendung weiblicher Formen in den Gebeten, z. B. 40v mich arme sonderin, 127v mir armen sonderin, aber auch für einen männlichen Beter geschrieben, z. B. 8v mir armen sonder, 13v mir armen totsunder. Mundart: Hochalemannisch.
Provenienz der Handschrift: Die Devise a e i o u (1v) deutete möglicherweise auf ein habsburgisches Umfeld hin. 90v Disser buͦc ist der frow Margreten Attenreytin. Die Hermetswiler Konventualin Margaret Attenriet starb 1581. Auf dem vorderen Spiegelblatt mit Bleistift alte Signatur Cod. 10.179., darunter no 214. 1r Stempel Convent M. G., 19. Jh.
Bibliographie:
  • Bruckner, Scriptoria 7, S. 42.