Wetzel René, Deutsche Handschriften des Mittelalters in der Bodmeriana, Cologny-Genève 1994, S. 134-137.
- Der Buchrücken speziell oben defekt. Der Einband vielfach bestoßen u. berieben, fleckig. Der Buchblock im allg. gut erhalten, Ränder leicht abgegriffen; Bl. 1-5 die oberen Ecken wegen Feuchtigkeitseinwirkung abgebröckelt (geringer Textverlust Bl. 2-3); stellenweise Wurmfraß.
- Der Cod. wird in einer mit braunmeliertem Papier bezogenen Pappkapsel aufbewahrt. Darauf dieselbe Exlibris-Marke wie auf dem Spiegel u. ein rotes Titelschild, Leder mit Goldprägung, MANUSCRIPT / Herrn Von / Veldigs ENEIDE.
- Keine nennenswerten Spuren von Lesertätigkeit. Zahlreiche Korrekturen durch Schreiber- u. Rubrikatorenhand. Viell. vom Schreiber auch die Federprobe 25v quer am linken Rand u. leicht beschnitten (Homo quidam fecit cenam, Lc. 14,16).
Die Spiegel bedecken die Innendeckel nur zu Zweidritteln. Der Raum gegen den Buchblock hin war mit Perg.makulatur beklebt, davon auf dem Holz des Vorderdeckels noch der Leimabdruck sichtbar; für den Hinterdeckel ist das beschriebene Perg. erhalten u. vom Deckel gelöst: Erhalten ist 1 Sp. (Rest zw. 51v u. 52r) einer lat. Hs. liturgischen Inhalts (unter anderem vollständig Psalm [Vulgata] 90, neumiert, u. Matth. 4,1ff.) in roman. Minuskel viell. noch des 10. Jhs.
Neumierte Passagen wechseln mit reinen Textpassagen ab. Rubriziert. Der Textabklatsch des vorderen Innendeckels scheint derselben Hs. zu entstammen.
Auf dem vorderen Spiegel klebt eine ovale Exlibris-Marke mit dem Wappen der Grafen von Degenfeld-Schonburg und der Umschrift GRAEFLICH · DEGENFELD · SCHONBURGSCHE BIBLIOTHEK ZU EYBACH. Besitzeintrag desselben Wortlautes, wohl aus dem 19. Jh., quer auf dem Spiegel (selber Eintrag von derselben Hand auch 1r). Ein großes geschwungenes Bleistift-R, eine weitere, radierte Bleistifteintragung.
Auf dem hinteren Spiegel die Bibliothekseinträge der Bodmeriana, dazu ein Papierbl. eingeklebt, datiert vom 24. Februar 1860 in Stuttgart u. unterzeichnet mit Dr. Menzel (wahrsch. Wolfgang Menzel [1798-1873], Schriftsteller, Publizist, Politiker; vgl. ADB 21, S. 382-384) mit einer Notiz zur Hs.
In diversen Lagenmitten auch sonst zur Verstärkung beim Binden Perg.-Makulatur verwendet. Zur liturgischen Hs. der bereits erwähnten Spiegel-Makulatur gehören auch die Falze zw. den Blln. 5/6, 21/22, 29/30, 37/38 u. 46/47.
Zw. Bl. 13/14 Perg.falz einer Urkunde aus der Zeit des Einbandes mit dem Text Wir Heinrich von Wiczleub[e]n Tuͤmherre zu Wirczburg und Lantrichter dez Herzogentuͤms zu Frank[en] (Heinrich von Witzleben [-lauben], Generalvikar des Würzburger Bischofs Gerhard von Schwarzenburg, Würzburger Domherr u. Landrichter des Herzogtums Franken, gest. am 13. Juni 1405 als Domkantor; vgl. August Amrhein, Reihenfolge der Mitglieder des adeligen Domstiftes zu Wirzburg, St. KiliansBrüder genannt, von seiner Gründung bis zur Säkularisation 742-1803 (Archiv d. Hist. Vereins von Unterfranken u. Aschaffenburg 32). Würzburg 1889, S. 240, Nr. 722. Zur selben Urkunde gehören wahrsch. die beiden Perg.reste zw. Bl. 9/10 u. 17/18 mit nur einzelnen erhaltenen Buchstaben.
Fragmente aus der Schlußpartie von Vergils Aeneis (lat.; 12. Buch, V. 58-93, 650-654, 711-715, 772-776) finden sich zw. Bl. 12/13 + 14/15, 41/42 + 51/52) in einer zierlichen Buchkursiven wohl des 14. Jhs.
Zw. Bl. 57/58 ein Perg. streifen mit versch. Schriften, Haupthand in got. Buchschrift des 12./13. Jhs., dazu eine kleinere kommentierende Schrift u. eine spätere Notula (alles lat.).
Makulatur zw. Bl. 17/18 (u. 25/26, nicht beschrieben) aus derselben Hs.?
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2ra-62vb
Eneide (Eneasroman)
>Distinctio primo [sic]/<
Jr hait wol virnome[n] daz,… (62va)
wi der koni[n]c Menelaůs besaz
Troia[n] die riche[n]
vil geweldecliche[n]
so wil er unschůldig sin.
Also ist iz walsch un[d] lati[n]
ane missewende.
Hie sie der (62vb) rede ein ende.
Laus t [ibi] [sit] [Christ]e,
quia liber explicit iste.Textgeschichte: Es sind heute 7 vollständige u. ebensoviele fragmentarische Textzeugen von Veldekes Eneas-Roman bekannt. Unsere Hs. (E der Überlieferung) galt seit ihrem Verkauf durch den Grafen von Degenfeld-Schonburg als verschollen (vgl. noch ²VL 3, Sp. 907 u. Kartschokes mhd./nhd. Ausg. 1986, S. 857, Anm. 41!). Der Cod. teilt den Text in 6 Distinctiones ein: I (2ra): V. 1-2528; II (12va): V. 2529-3740; III (17va): V. 3741-5000; IV (23ra): V. 5001-7964; V (36rb): V. 7965-9734; VI (44rb): V. 9735-13528. Unsere Hs. stellt sich auf Grund gemeinsamer Lücken (aufgelistet bei Behaghel [s. u.], S. XII) u. auch sonst eng zur Heidelberger Hs. Cpg 368 (H), die bereits 1333 in Würzburg für den Deutschordensritter aus Rheinpfälzer Ministerialengeschlecht Wilhelm von Kirrweiler geschrieben wurde. Daß die Verwandtschaft von HE weiter geht, als die Liste Behaghels vermuten läßt, beweisen die von Kornrumpf (s. o.), S. 376, Anm. 18 aufgeführten Belege. Schieb/Frings (I, S. XLV) weisen darauf hin, daß auch die Vorlage von H Distinktionen-Einteilung gezeigt haben könnte (große, zweifarbige Initialen an den entsprechenden Stellen!). H kann nicht die direkte Vorlage von E gewesen sein, wohl ist aber eine für E u. H gemeinsame Quelle anzusetzen, die Behaghel vielfach verdorben sieht u. Klein (S. 141) als in thür.-hess. Schreibsprache gehalten, die eher hess. als thür. war. In Behaghels Stammbaum hat E (zusammen mit h u. H) seinen Platz im Y-Ast. Schieb/Frings streichen die Güte unserer Hs. schon nur aus der eingeschränkten Kenntnis von deren Anfang u. Schluß heraus u. erachten E als 'zweifellos äußerst wertvolle Handschrift' (I, S. XLVII).- Abdruck von Anfang u. Schluß des Cod. Bodmer 83 (knapp 400 Verse) bei Pfeiffer, Quellenmaterial, S. 172-176.
- Auch heute noch keine wirklich befriedigende Ausg. der Eneide. Die wichtigsten: Ludwig Ettmüller (Hg.), Heinrich von Veldeke (Dichtungen des deutschen Mittelalters 8). Leipzig 1852 (Grundlage auch für Dieter Kartschokes mhd./nhd. Ausg., Stuttgart 1986)
- Otto Behaghel (Hg.), Heinrichs von Veldeke Eneide. Heilbronn 1882
- Gabriele Schieb u. Theodor Frings (Hg.), Henric van Veldeken, Eneide. I. Einleitung u. Text (DTM 58). Berlin 1964.
Überlieferung- Grundlegend bleibt Behaghels Einleitung zu seiner Textausg., besonders S. XI-XXXVI, mit einem Stemma, das bis heute unbestritten blieb
- Cola Minis, Textkritische Studien über den Roman d'Eneas und die Eneide von Henric van Veldeke (Studia Litteraria Rheno-Traiectina 5). Groningen 1959
- Gabriele Schieb, Die handschriftliche Überlieferung der Eneide Henrics van Veldeken und das limburgische Original (Sitzungsberichte der dt. Akad. d. Wiss. zu Berlin, Kl. f. Sprachen, Lit. u. Kunst 3). Berlin 1960
- Schieb/Frings I, S. XI-LXXXIII
- Ein Litterae-Band ist von Nigel F. Palmer in Vorbereitung.
- Pfeiffer, Quellenmaterial, S. 172-176
- Textausg. Behaghel (s. u.), S. III-IV
- Textausg. Schieb/Frings (s. u.), S. XLVII-L
- Becker, S. 28f.
- Klein, S. 139-141 u. 167
- Gisela Kornrumpf, Zu einem 'Eneide'-Fragment der Brüder Grimm. In: PBB 110 (1988), S. 368-381, hier S. 379-381.