Fribourg/Freiburg, Couvent des Cordeliers/Franziskanerkloster, Ms. 11

Führer Dörthe/ Mangold Mikkel, Katalog der mittelalterlichen Handschriften des Franziskanerklosters Freiburg, Basel, 2023, S. 87-88.

Mit freundlicher Genehmigung des Verlags (Schwabe Verlag, Basel, Berlin). Das Copyright an der Handschriftenbeschreibung liegt beim Verlag.
Handschriftentitel: Petrus de Aquila
Entstehungsort: Avignon
Entstehungszeit: 1469
Beschreibstoff: Papier. Wasserzeichen: Reichsapfel, je eine Variante von Piccard, Wasserzeichenkartei, Nr. 22140 (1469) und 161469 (1473); Bl. 4043 Kopf, Variante von Piccard, Wasserzeichenkartei, Nr. 20843 (1470).
Umfang: 234 Blätter
Format: 31,5 × 22 cm
Seitennummerierung: Neuere Foliierung, von mehreren Händen ergänzt: I. 1–79. [79a]. 80–229. [230–232].
Lagenstruktur: 19 VI226 + III232, letzte Lage den Mittelfalz entlang fast ganz durchgeschnitten (mit Japanpapier wieder zusammengefügt), innerstes Doppelblatt lose. Reklamanten, vertikal geschrieben und rot gerahmt. Bl. 191220 Zählung der Blätter in der ersten Lagenhälfte: 1–6.
Zustand: Besonders in der zweiten Hälfte der Hs. starker Tintenfrass bis hin zur vollständigen Zersetzung des Papiers, z. B. Bl. 89, 188190, 225227; mit Japanpapier überklebt.
Seiteneinrichtung: Begrenzung der Spalten mit Stift, Schriftraum 19,5–21,5 × 13–13,5, zweispaltig (5,5–6), 40–61 Zeilen.
Schrift und Hände: Jüngere gotische Buchkursive mit Schleifen von der Hand des Jean Joly. Erste Zeile jedes neuen Abschnitts in vergrösserter, ab 188ra in stark vergrösserter Textualis, rot gestrichelt; auf der obersten und untersten Zeile öfters mit verlängerten Ober- bzw. Unterlängen, daran zunehmend üppigere Kadellen und Knoten.
Buchschmuck:
  • Rubriziert, rote Streichungen und Unterstreichungen. Rote Lombarden mit Punktverdickungen und Ausläufern, bis 187rb ausserdem mit Fleuronné in Tinte; ab 69vb immer häufiger mit Gesichtsskizzen, 229ra Fisch.
  • 1ra, 73rb, 137ra und 168ra stark vergrösserte rote Initiale auf rechteckigem Grund aus Fleuronné, rahmenförmig umgeben vom Initium des folgenden Textes in rot gestrichelter, vergrösserter Textualis.
  • Im Kopftitel Zählung der Bücher, rote Kapitalis: I–IV.
Spätere Ergänzungen: Korrekturen von der Hand des Schreibers, öfters auf Rasur, z. B. 1ra, 66va, 110rb, 158rb, 202ra. 17v eine längere Streichung. Zahlreiche Stellen am Rand mit einem kleinen Kreuz markiert.
Einband:
  • Mit braunem Leder überzogene Holzdeckel mit abgeschrägten Kanten aus der Werkstatt des Rolet Stoss (EBDB w002225), Freiburg, 3. Drittel 15. Jh. Streicheisenlinien und Einzelstempel, Horodisch, Buchbinderei, S. 225 (Vorderdeckel Schema F, Hinterdeckel Schema A) sowie Taf. 62, Nr. 1 (EBDB s036132) und Nr. 9–11. Ehemals Catenatus, in der Mitte der oberen Kante des Vorderdeckels Loch und Spuren einer eisernen Kettenklammer. Hinterer Deckel am Rand durch Wurmfrass beschädigt, bei der Restaurierung mit Papiermasse ergänzt. Ehemals zwei nach hinten greifende Langriemenschliessen, Reste von hellen Lederriemen erhalten, die obere Schnalle (Riemen mit Messingöse) separat aufbewahrt im Konventsarchiv (ACCFribourg, Bibliothek R3). Befestigung der Riemen im Vorderdeckel durch je drei Messingnägel mit sternförmigem Kopf; im Rückdeckel Messingdorne. Kapitale mit ungefärbtem Garn umwickelt. Rückenleder nur im mittleren Bereich erhalten, an beiden Gelenken gebrochen; Rückenverstärkung Pergament, Fragmente.
  • Spiegel Pergament, Fragmente von zwei mit der Schriftseite nach unten aufgeklebten Urkunden des 15. Jhs., hinten abgelöst, dort mit mehrfacher Erwähnung des Notars Matheus Guiramanni de Aquis (Aix?), und des Juden Profach de Castello. Im vorderen Spiegel Notiz von einer Hand des 15. Jhs., z. T. von der Kettenklammer zerstört: Present Guillermi Texoris (?) cappellani de Fälze mit Pergamentstreifen verstärkt. Auf dem Rückdeckel Spur eines Titelschilds. 2022 restauriert von Carole Jeanneret (Dokumentation: ACCFribourg, Bibliothek R3).
Zusatzmaterial: Öfters Lesezeichen: abgerissene Zettelchen (meist Hadernpapier, einmal Pergament), teils kleine Fragmente in jüngerer gotischer Kursive (separat beigelegt, Fundstelle angeschrieben).
Inhaltsangabe:
  • Ir-v leer.
  • 1ra-229va Petrus de Aquila: Quaestiones in quattuor libros Sententiarum. Circa istum prologum primi libri Sentenciarum queritur primo, utrum theologia sit de deo aut [sic] de subiecto
    • (5va) >Scotellus, prima distinctio. Veteris ac nove legis etc.< Cirqua illam distinctionem primam queritur primo, utrum frui sit actus voluntatis
    • (7rb) Utrum in deo sint plures raciones fruibiles a deo distincte
    • (14ra) >Sequitur distinctione 2a< Hoc itaque vera ac pia fide tenendum est …–… 70vb Deo gracias etc. Explicit primus liber Scotelli in die sancte Agathe inter oram 7am et 8am etc. Anno mo 4 lxo ixo etc. 71ra Tabula zu Buch 1.
    • (73rb) >Creacionem< Circa primam distinctionem 2i libri Sentenciarum queritur primo, utrum animalia a primo ente sint …–… 135rb in secula seculorum, Amen. Explicit 2us Scotelli anno domini mo cccc lxixo dominica 3a 40e xlme (quadragesime). Anschliessend Tabula zu Buch 2.
    • (137ra) >Cum venerit.< Circa tercium librum Sentenciarum queritur primo, utrum incarnacio sit possibilis …–… 166rb in secula seculorum, Amen. Explicit liber 3us Scotelli super Sentencias in die annunciacionis beate Marie virginis. Anno domini mo cccco lxixo. Anschliessend Tabula zu Buch 3.
    • (167va-vb) leer.
    • (168ra) >Samaritanus< Circa primam distinctionem 4ti libri Sentenciarum, in quo magister tractat de sacramentis …–… 227va per infinita secula seculorum, Amen. Laus tibi sit Christe, quoniam liber explicit iste. Deo gracias. Explicit lectura 4i libri Sentenciarum compilata per magistrum Petrum de Aquilla, qui nominatur Scotellus, theologia [sic] doctorem ordinis Minorum fratrum. Anno domini mo cccco lxixo 21a die mensis Aprillis. >Ihesus filii Marie miserere Christe< Anschliessend Tabula zu Buch 4.
    • (229va) Schreibernotiz: Explicit Scotellus super 4or libros Sentenciarum, Anno domini 1469 in die sanctorum Soteris et Gay per me fratrem Stephanum Vernesi conventus fratrum Minorum Alesti (wohl Alès, Dép. Gard) etc. Et fuit compilatus in conventu fratrum Minorum eiusdem ordinis Avinionensis tunc temporis quo ego, frater Iohannes Joly eram studens loco Parisii ibidem etc. >Deo gracias, Amen.<
    • (229vb) Orate pro ipso quia cum laboribus et erumpnis ipse eum habuit. Dann: Memorare novissima (nachträglich ergänzt: tua) et in eternum non peccabis.
    Für Buch 4, dist. 1–10 wurde der Beginn der einzelnen Quästionen nicht hervorgehoben. GW M32060, [5ra–9vb, 9vb–178rb], die vier letzten Quästionen von Distinktion 1 der Hs. (7rb–14ra) im Druck nicht enthalten. RS 653.
  • 230ra-232vb leer.
Entstehung der Handschrift:
  • Geschrieben 1469 in Avignon von Jean Joly (siehe Schreibernotiz 229va), der aus seiner Vorlage ein Kolophon mit dem Namen des Schreibers Stephanus Vernesi übernahm (vgl. CMD-CH 2, Textband, S. 227). Am Ende der einzelnen Bücher und am Schluss des gesamten Textes folgt jeweils eine Datierung (siehe Inhalt): 5. Februar (70vb), 5. März (135rb), 25. März (166rb) 21. April (227va) sowie 22. April (229va). Die Wasserzeichen stimmen mit Ms 14, 37 und 41 (Teil 2) überein, der Reichsapfel (Nr. 22140) ausserdem mit dem Vorsatz von Ms 70.
  • Jean Joly, 1r Besitzeintrag: Liber fratris Iohannis Joly ordinis Minorum quondam custodis et gardiani.
Bibliographie:
  • Horodisch, Buchbinderei, S. 223, Nr. 4;
  • Bruckner, Scriptoria 11, S. 98 mit Anm. 58;
  • CMD-CH 2, Nr. 365;
  • Mosberger, Katalog, S. 1–3.