Für diese Handschrift sind folgende Beschreibungen vorhanden

  • Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 2: Abt. III/2: Codices 450-546: Liturgica, Libri precum, deutsche Gebetbücher, Spiritualia, Musikhandschriften 9.-16. Jahrhundert, Wiesbaden 2008, S. 18-21.
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  • Euw Anton von, Die St. Galler Buchkunst vom 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, Band I: Textband, St. Gallen 2008 (Monasterium Sancti Galli, Bd. 3), S. 443-444, Nr. 116.
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  • Scherrer Gustav, Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, Halle 1875, S. 148-149.
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St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 454
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Euw Anton von, Die St. Galler Buchkunst vom 8. bis zum Ende des 11. Jahrhunderts, Band I: Textband, St. Gallen 2008 (Monasterium Sancti Galli, Bd. 3), S. 443-444, Nr. 116.

Handschriftentitel: Ado von Vienne, Martyrologium
Entstehungsort: St. Gallen
Entstehungszeit: um 880-890
Katalognummer: 116
Umfang: 356 pp. + 12 pp.
Format: 34 x 26 cm
Lagenstruktur: Signierte Quaternionen: ·I·8, II4-1 (p. 17-22), ·III·8 - ·XXIIII·8 (p. 341-356), 256 (p. 357-368)
Seiteneinrichtung: Schriftspiegel 23,2 x 18,2 cm, zweispaltig zu 27 Zeilen.
Schrift und Hände: karolingische Minuskel von mehreren Schreibern
Buchschmuck:

Titel in Rustica mit Minium, zur Vorrede u. zum Beginn des Martyrologs Initialen in Federzeichnung mit Minium, manchmal wohl gemischt mit Braun, so dass ein Purpureffekt entsteht. Anfänge der Monate mit Titeln in Capitalis u. Rustica in Minium, Anfangsbuchstaben mit purpurn u. grün schattierten Majuskeln.

Inhaltsangabe:
Inhalt u. Schmuck:
  • p. 1 leer
  • p. 2 Vorrede Ados, A(do peccator lectori salutem). Ne putes me in hoc opere in vacuum laborasse, sechszeilige Initiale, im rechten Stamm kleiner Vierpass, symmetrisches vegetabiles Binnenmotiv, Herzchen als Beiwerk
  • p. 2b unten Incipit martyrologium Romanum
  • p. 3-22 Kalendar-Martyrologium
    • (p. 3) K(l. Ian. Rome), fester Schaft, gefiederte Blattarme
  • p. 23 urspr. leer, spätere Schemen, Bibliotheksstempel
  • p. 24-27 Titel u. Einleitung Ados
    • (p. 24a) Initialzierseite I(n nomine Dni. incipit martyrologium Adonis epi. Viennensis. Temporibus Chloduuici italici imperatoris. Ac Chloduuici Germanici regis insignis), ganzseitige Initiale mit Hundskopf, aus dessen Schlund eine blühende Ranke als Füllung in den Buchstabenkörper wächst, dasselbe aus dem Fuß nach oben wachsend zum Mitteloval, das ebenso vegetabil gefüllt ist, feines Beiwerk
    • p. 24a q(uo genere vel cultu sci. martyres venerandi sint ex libris beati Augustini episcopi), unzial, mit nach innen gefiedertem Bogen

    • p. 24b P(opulus christianus memorias martyrum religiosa solemnitate concelebrat), zehnzeilige Initiale, Hundskopf mit blättrigen Ohren, im Bogen Schlaufe als Mittelknoten, er entlässt, durchgezogen durch das Oval im Schaft, ein blattreiches Binnenmotiv, Schaft getreppt, mit Perlen angereichert

  • p. 27 Ymnus sci. Ambrosii in laude sanctorum martyrum: Aeterna Christi munera
  • p. 27-53 Libellus de festivitatibus apostolorum
    • (p. 27) In nomine Dni. incipit libellus de festivitatibus apostolorum et reliquorum qui discipuli aut vicini successoresque ipsorum apostolorum fuerunt
    • (p. 28) III.Kl. Iul. Romae natalis beatorum aplor. Petri et Pauli
  • p. 53-340 Ado von Vienne: kalendarisches Martyrologium des Ado von Vienne
  • p. 341-355 Incipit epistola sci. Cypriani ad Successum
  • p. 355-356 De institutione rogationum ante ascensionem Dni. celebrandarum
  • p. 357-367 Anhang: Passio Gereonis, Severini
  • p. 368 Briefe (13. Jh.).
Entstehung der Handschrift:
  • Scherrer war der Meinung, Sang. 454 stamme von Ado von Vienne (um 800-875). Bruckner nahm die Hs. in die Reihe der St. Galler Werke der 2. Hälfte des 9. Jh. auf. Rankin sieht darin p. 2-22 u. p. 24b bis Z. 10 die Schreiberhand des Notker Balbulus (um 840-912), die in dieser Hs. wiederholt Passagen übernimmt. Ich möchte dieses modifizieren: p. 2a sind die Initiale u. die ersten 10 Zeilen von einer Hand, ebenso p. 22a u. b die Initialen u. der Text bis 22 b Zeile 10. Auf Seite 2 übernimmt Zeile 10 ein I-Schreiber (Imperium, Infirmi, Inmemoriis, Inkalendariis, huic Insertas) den Text. Sein Schriftbild steht dem Ergänzer des Folchart-Psalters (Nr. 97) u. dem I-Schreiber von Morgan 91 (Nr. 100) nahe. Entsprechend finden sich auch hinsichtlich der Initialen Parallelen etwa im Homiliar Sang. 433 (Nr. 78) bei Schreiber C, der die Hochblüte der barocken Phase der Initialkunst zur Hartmut-Zeit (872-883) vertritt.
  • Rankins Zuschreibungen beruhen auf einem Vergleich mit den Notker oder Notger als Schreiber gezeichneten Urkunden, von denen sie vier, nämlich W 549 (870 II 8), W 572 (873 V 17), W 618 (882/3 II 13) u. W 738 (? 892 IX 20) als von einer Hand geschrieben annimmt (Subsidia Sangallensia I, S. 419, 422, 429, 446). In W 679 (890 VIII 1) ist Notker im Amt des Bibliothekars Zeuge, wahrscheinlich als Nachfolger des 872 die Urkunde W 557 schreibenden Bibliothekars Liuthart (Subsidia Sangallensia I, S. 420). Notker wird demnach während des Abbatiates Bernhards (883-890) das Amt des Bibliothekars innegehabt haben. Salomo III. (890-920) versetzte ihn alsdann auf den Posten des Hospitarius, als der er die Urkunde W 738 u. 892 schrieb (Subsidia Sangallensia I, S. 446). In seiner möglicherweise in die Abtzeit Hartmuts (872-883) zurück reichenden Amtszeit als Bibliothekar sorgte Notker für die Abschrift mehrerer bedeutender Werke, die er betreute. Dazu gehört neben dem Martyrologium des Hrabanus Maurus (Sang. 458) u. seine Eigenkomposition des Martyrologs, die in Sang. 456 leider unvollendet erhalten ist, unserer Aufassung nach und gestützt auf Ranking auch Sang. 454. Nicht zuletzt durch den Initialschmuck, der wohl von der Hand Notkers ist, lässt er seine Verehrung für Ado von Vienne durchscheinen. Nach einer Notiz in Notkers Martyrologium Sang. 456, p. 113, zum 23. Mai, hatte Ado im Jahr 870 durch seinen Presbyter Beroldus Reliquien u. die Passio des hl. Desiderius, die Abt Grimald (841-872) von ihm erbeten hatte, nach St. Gallen überbringen lassen. In diesem Zusammenhang wird auch die leider nicht mehr erhaltene Vorlage des Bischofs von Vienne für Sang. 454 nach St. Gallen gelangt sein.
Bibliographie:
  • Scherrer, S. 148f.
  • Henri Quentin, Les martyrologes historiques du moyen âge, Paris 1908, S. 412, 466, Anm. 1.
  • Bruckner III, S. 106.
  • Rankin, in: Revue Bénédictine, S. 289-292.
  • Duft, Abtei St. Gallen II, S. 112f.
  • Walter Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter III (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 10), Stuttgart 1991, S. 414-415.
  • Borst, Kalenderreform, S. 357f.
  • von Scarpatetti, in: Kloster St. Gallen, S. 36, 232 Anm. 24.
  • Schaab, Mönch in St. Gallen, S. 84, 165, 211, passim.
  • von Scarpatetti, Liturgica, Beschreibung von Cod. Sang. 454.