Kurzcharakterisierung:Den Hauptteil dieser Handschrift bilden Apostelviten aus der Elsässischen Legenda Aurea, einer bedeutenden oberdeutschen Übertragung des Legendars des Jacobus de Voragine (p. 1–259, weitgehend identisch mit dem Auswahllegendar im Cod. Sang. 594). Daran schliesst sich der mystische Traktat Christus und die sieben Laden (p. 260–277) an. Die letzten beiden Lagen (p. 281–328) enthalten eine Sammlung geistlicher, meist mystischer Exzerpte (Meister Eckart, Jan van Ruusbroec) und auf den letzten Blättern ein Ablassgebet, das man vor dem Bild des hl. Gregor sprechen solle (Ablassversprechen datiert 1456, p. 326–328). Etliche Seiten davor steht ein explizit darauf bezogenes Begleitgebet (p. 319-320). Als Schreiberin vermutet Scarpatetti Schwester Endlin aus dem St. Galler Franziskanerinnenkloster St. Leonhard. Später kommt die Handschrift in den Besitz eines Johannes Kaufmann (Besitzeintragungen p. 1, p. 277 und am oberen Schnitt des Buchblockes), später gehört es einem Laienbruder des Klosters St. Gallen (p. 328). Einfache rote Initialen bilden den einzigen Buchschmuck. Rot gefärbter Schweinsledereinband des 15. Jahrhunderts mit Schliesse und noch sechs von zehn Buckeln. Teilweise sind Fragmente als Falzverstärkungen zu erkennen (z.B. p. 52/53).(mat)
Standardbeschreibung: Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 1: Abt. IV: Codices 547-669: Hagiographica, Historica, Geographica, 8.-18. Jahrhundert, Wiesbaden 2003, S. 111-114.
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Zusätzliche Beschreibung: Scherrer Gustav, Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, Halle 1875, S. 189.
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Online seit: 22.09.2022
St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 585
Papier · 328 pp. · 21 x 14 cm · Franziskanerinnenkloster St. Leonhard, St. Gallen (?) · nach 1456
Elsässische Legenda Aurea (Auswahl aus Sommerteil)
Wie zitieren:
St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 585, p. 328 – Elsässische Legenda Aurea (Auswahl aus Sommerteil) (https://www.e-codices.ch/de/list/one/csg/0585)
Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 1: Abt. IV: Codices 547-669: Hagiographica, Historica, Geographica, 8.- 18. Jahrhundert, Wiesbaden 2003, S. 111-114.
Handschriftentitel: Elsässische Legenda Aurea: Apostelviten (Sonnenteil, Auswahlkorpus) deutsch; Geistliche Traktate
Entstehungszeit: nach 1456
Frühere Signatur:
S. n. 369
Beschreibstoff: Papier. Starkes, gut präpariertes Papier. Wasserzeichen Ochsenkopf mit Kreuz (im Falz), aus der Abt. Piccard, Wasserzeichen II/2 (1966), Abt. VII, Nr. 111-498, darin eingeschoben p. 281-304 Traube, ähnlich Briquet, Filigranes Nr. 13003.
Umfang:
318 Seiten
Format: 21 x 14
Seitennummerierung: Bleistiftpaginierung I.v.A.
Lagenstruktur:
Sexternionen, ausser V[-2?]1-16, Rest eines 5. Bogens nach p. 16 sichtbar, dort auch Bruch im Text. Wortreklamanten, meist zur Hälfte abgeschnitten.
Seiteneinrichtung:
Einspaltig 15/16 x 10, 23-25 Z., keine Linierung.
Schrift und Hände:
Halbkursive, wenig formgeprägte deutsche Bastarda von der Hand der Schreiberin Schwester Endlin (belegt 1464, s.u. CMD-CH). Die Datierung der gesamten Handschrift bei Eichler, Ruusbroec (s.u.), p. 17 mit 1456 ist nicht haltbar; es handelt sich um das p. 328 zu findende Jahr einer römischen Ablassbestätigung und somit entweder um einen Nachtrag im Bestätigungsjahr dieses Ablasses oder nur um einen Terminus post quem, welcher für dieses Gebet und ev. für die ganze Hs. gelten kann. Eichler unterscheidet fünf Hände, unseres Erachtens handelt es sich um eine einzige, die über einen längern Zeitraum schreibt. Von einer späteren Hand ev. der Anhang p. 281-328 (der Anfang auch mit neuem Wasserzeichen, jedoch nur bis p. 304, s.o.). Eichler, Ruusbroec (s.u.), p. 17, die Datierung (s.o.) ev. übernommen von Kurt Ruh, auf dessen Angaben Eichlers aussere Beschreibung beruht.
Zur Schwester Endlin OFM, Schreiberin von Cod. 983, mit Datum 1464, CMD-CH III (1991), Schreiberverzeichnis p. 289.
Weitere ihr zugewiesene Hss. Mengis, Frauenhandschriften, Kap. Schreiberinnen (in Vorb.).
Einband: Einband 15.Jh., rotes Leder auf Holz, eine Schliesse HDK-VDK verloren, 10 Messingbuckel, davon 4 des HD verloren. Buchblock allseits etwas krumm beschnitten.
Inhaltsangabe:
1-259[Aus der Elsässischen Legenda Aurea, deutsch]
(1-16)
Johannes Bapt., bricht ab, Bruch im Text zwischen p. 16 und 17; Williams-Krapp, ELA I (1980), Nr. 86, p. 385-392, Z. 23; Eichler, Ruusbroec (s.u.), p. 17;
(138-167)
Andreas, Nr. 2; vide lat. Viten (BHL und LA) im allg. Reg.;
(168-185)
Thomas, Nr. 5, der anschliessende Abschnitt: Von dem unterscheit der zit, ibid. p. 40, Z. 23-30, fehlt in unserer Hs.; vide Cod. 594, p. 175;
(185-202)
Johannes Evg., Nr. 9, in diversen Fassungen, parallel ediert p. 56, 58, 60, 62, 64, 66, 68, 70; vide Cod. 594, p. 192;
260-277Von dem Kromer Jhesu Cristy [Von den sieben Laden]
Ed. gem. Zürich ZB Car. C 28, f. 215r-221v, bei Albert Bachmann und Samuel Singer, Deutsche Volksbücher. Aus einer Zürcher Hs. des 15.Jhs., in: Bibl. Lit. Ver. Stuttgart, Bd.185, Tübingen 1889, p. 247-258, ohne unsere Hs.;
Muschg, Mystik (1935), p. 274f., 425;
Wieland Schmidt, in: Kurt Ruh [Hg.], Altdeutsche und altniederländische Mystik, Darmstadt 1964, p. 447, Anm. 27;
Woflgang Eichler, Jan van Ruusbroecs »Brulocht« in obdt. Überlieferung, München 1969, p.17 (Lit.);
vgl. auch Williams-Krapp, Studien (1976), bes. p. 291-298;
VL 1 (1978), Art. »Christus und die sieben Laden«, col. 1241-1243 (K. Ruh), ohne unsere Handschrift.
(281-285)
[Worte Christi und Pauli.]
Sanctus Paulus Spricht was der mensch anfacht So sol das kruͦtz Cristy sin mainung Sin …–…
ward begraben der lieb Herr Sand paulus von den grymmen tieren.
(285-293)
[Aus dem Leben der Altvater.]
Sanctus honofryus wolt gan in die wuͦsty …–…
Do sprach der ait o alle zu versicht die ist uss.
(294-295)
[Mystische Betrachtungen, teilweise nach Meister Eckhart.]
Sant Paulus Spricht ich leb nit mir Jn mir lebt Cristus Es sind dryerley bewegung der eine ist ein synnliche naturliche bewegung …–…
wan Darzu hat sy got Erschaffen vnd fursechen von Anegeng der welt.
Erfasst bei Eichler, Ruusbroec (s.o.), p. 18;
vgl. Josef Quint, Neue Funde zur handschriftlichen Überlieferung Meister Eckhardts, Paul und Braunes Beiträge (PBB) 82, Tübingen 1960, p. 356;
Textwort nach Galater 2,20.
(295)
[Jan van Ruusbroec, Geistliche Hochzeit, Exzerpt]
Nun ist ein frag warvmb got alle sine werk hab gewurkt …–…
Die Ander ist als Er kumet zu vns vnd in vns mit gnaden in vnsser sel Die drit ist als er kumbt an dem jungsten tag alder an (?) vnssern tod.
L. Reypens, Bijdragen. Bij het zesde eeuwfeest der hoogduitse vertaling van Ruusbroec's »Brulocht«, in: Ons geestlijk erf, 1950, p. 233, 241 unsere Hs. erw.;
Eichler (s.o.), p. 18, 51;
Jan Van Ruusbroec, Werken. Bd. I, hg. von J. P. Poukens und L. Reypens, Tielt2 1944, p. 110,25-111,12: obdt. Text p. 9,18-10,9, sodann Anlehnung an Werken I, p. 110,13-19: obdt. Text I, 183-187, p. 89 bei Eichler;
VL 8 (1992), Art. Ruusbroec (Albert Ampe), col. 436-458, mit unserer Hs. col. 450.
(296-297)
Von Einer geistlich vermachelschaft Cristus vnd menschlicher natur [aus: Geistliche Hochzeit, Anfang]Sechtt der brutgam kumpt gat im Engegen …–…
Dar vmb das wir im mit allen tugenten Entgegen gan Hie mit sinen genaden vnd sin gebreichen vnd in Niessend in Ewiger glory. Eichler (s.o.), p. 18 und 51: Dieser Textteil encspricht zum grössten Teil: Werken, Bd. I, p.103,4-104,16: obdt. Text I, 1-32, bei Eichler p. 81 f.
(297-300)
[Predigt von der Gemahlschaft Christi]Ecce Nempt war vnd wart der brvtgam kumt Jn Dissr Bredig wil ich Sagen Dry ding …–…
Das ist die drit zukunff das wir da gesichert werden vnd gezelt zu den seligen des helff … heilig geist amen. Eichler (s.o.) p. 18, 51 f.: Predigt im Anschluss an Matth. 25,6 und das Ruusbroec-Exzerpt, in enger Anlehnung an die »Geistliche Hochzeit«: Werken I, p. 118,20-121,9: obdt. Text 1, 368-429, bei Eichler p. 96-99.
(300-305)
[Predigt nach Matth. 22,37: Über die geistliche Minne]Die mynn von herzen ist gemain vnd die musz Ein retlich mensch von not haben …–…
das wir Ewiklich von im nit gescheiden werden amen.
(306-318) leer. Eichler (s.o.), p. 19, 52; nach ihm ähnlich Freiburg i.Br., UB Cod. 189, f. 104r.
319-320[Ablassgebete]O her jhesu christy ich an Betten dich abstigend zu den hellen …–…
Jn anigkait des Hailligen gaistes jner (?) ewigklichen Amen.
(321-325) leer.
326-328[Ablassgebete] Vor sant Gregorius figurO her Jhesu christy ich an bette dich an dem Crutz hangenden …
(327)
Der aller hailigst gregorius do er bapst was vnd mess hielt do erschain im jhesus …–…
(328) anno Mo cccc lvj anno sui pontificatus
[Rand, nicht sicher, ob Pontifikatsjahr überhaupt dortstand], mit Bestätigung der Päpste Nikolaus [V.] von 1448 und Calixt III. von 1456.
Entstehung der Handschrift: Der Band dürfte gemäss der Schreiberin aus dem Franziskanerinnenkloster St. Leonhard, St. Gallen stammen.
Provenienz der Handschrift:
Wohl ab ca. 1530 in Privatbesitz, vgl. p. 1: Joannes kaufmans, Hand des 16. Jhs. und ebenso p. 277. Dessen zu vermutende Initialen auch auf dem obern Schnitt des Buchblocks: HK, gefolgt von weiteren Buchstaben und Ziffern, nicht mehr entzifferbar.
Anschliessend wohl über verwandtschaftliche Wege übergegangen in den Besitz eines Laienbruders im Kloster St. Gallen, (s. Cod. 588), vgl. p. 328: Dis Buch gehort in das Bruderhaus (?) St. Gallen 1632, mit rotem Farbstift flüchtig zugefügt.
Erwerb der Handschrift:
Es folgen Besitzeinträge des Stifts St. Gallen, p. 328: Liber S. Gallj Monasterij, von einer Hand des 17./1 Jhs., und p. 1: Liber S. Gallj, Hand des 18. Jhs. Zu dieser Zeit wohl auch Streichung p. 1 des Namens Kaufmann mit rotem Farbstift und Überschreiben mit S. Gallj. Unter den federprobenartigen Einträgen p. 305 und 306 findet sich p. 306 eine Rasur vermutlich eines Namens.
Bibliographie:
Eichler, Ruusbroec (s.o.), auch zu seiner Datierung unserer Hs.;
Kunze, Überlieferung ELA (1970), p. 274;
Williams-Krapp, Legendare (1986), p. 27, 40f., 46 als Sg 5, 508;