Die Entstehung des Psalterium aureum kann daher in folgende Abschnitte und Zeiträume eingeordnet werden:
I. Zwei westfränkische Schreiber, einer von ihnen ein begabter Zeichner, sind um 880–885 Gäste in St. Gallen. Ihre Herkunft ist nicht geklärt, aber ihre Initialornamentik und ihr Figurenstil lassen sich aus westfränkischen Werken der Spätzeit Karls des Kahlen (westfränkischer König 840–877; Kaiser 875), besonders der um 875 in Reims entstandenen Bibel von St. Paul, herleiten. Sie werden in St. Gallen gebeten worden sein, ein königliches Psalterium im Grossformat des Folchart- Psalters zu schreiben und mit Bildern aus dem Leben Davids zu illuminieren. Diese Handschrift sollte in der Gallusbasilika beim Besuch des Königs an dessen Platz im Mönchschor aufgeschlagen sein. Als ihr ausersehener Benutzer kommt Karl III. (ostfränkischer König 876–887; Kaiser 881– 887; † 888) in Frage, er wurde zunächst König in Alemannien und Churrätien, dann König des ganzen ostfränkischen, 885 auch des westfränkischen Reiches. Im Jahre 883 wurde er als Frater conscriptus in den St. Galler Mönchskonvent aufgenommen, er kam damals zur Wahl des Abtes Bernhard (883–890) nach St. Gallen. Dies mag der Zeitpunkt der Entstehung der Handschrift gewesen sein; weshalb sie in ihrer ersten Phase der Ausführung unvollendet blieb, ist nicht auszumachen. Die westfränkischen Gäste scheinen unvermittelt abgereist zu sein. Geschrieben und bebildert waren die Lagen 1–12 (= p. 1–184) und 15–17 (= p. 215–264)
II. Die Fortsetzung des Werkes erfolgte dann während der Bibliothekarszeit von Notker Balbulus (um 880–890). Um 883–888 ergänzten die St. Galler im späten Folchart-Stil die Lage 2 (= p. 15–16 und p. 29–30) sowie die Lagen 13–14 (= p. 184–214) und 18–19 (= p. 205–296). Diese Arbeit wurde – vielleicht um 887/888 (Abdankung und Tod Karls III.) – wieder unterbrochen.
III. Zwischen 890 und 900, zur Zeit von Abtbischof Salomo III. (890–920), wurde die Handschrift im neuen Stil mit den Lagen 20–22 (= p. 297–343) ergänzt und in vielen Partien auch der Bilder zusätzlich koloriert. Ob man auf die Ausführung von Ps 151 sowie der Cantica und Glaubensbekenntnisse bewusst verzichtete oder ob die letzten Seiten später verloren gingen, ist ungewiss.
Die berühmte Hs. wurde oft beschrieben u. gewürdigt; ihre Struktur u. ihren fragmentarischen Urzustand erfasst im Detail jedoch erst Schaab (1995). Die Problematik wird schon an den am Anfang (!) signierten Lagen erkennbar, die für St. Gallen ungewöhnlich sind. Zudem ist die fortlaufende Zählung von ·III·-·XVI· (·I· ist auf p. 1 nicht mehr lesbar, ·II· war auf dem später ausgewechselten Bifol. p. 15/16 u. 29/30) zweimal unterbrochen, nämlich nach Lage ·IIII· (Lagensignatur ·V· fehlt) u. nach Lage ·XIII·, die p. 194 als Ternio endet. Auf ·XIII· folgen ein nicht signierter Quinio (p. 195-214) u. ein auf der letzten Seite(!) (p. 230) mit ·XIIII· signierter Quaternio, dem ein Einzelblatt (p. 231/232) angefügt wurde. Durch das Einschießen des nicht gezählten Quinio verschiebt sich die wirkliche Lagenzählung, die original mit ·XV· und ·XVI· bezeichneten Lagen sind in Wirklichkeit die Lagen 16 u. 17. Die Lagen 18-22 sind wie der Quinio (p. 195-214) nicht signiert. Schon durch ihre fehlenden Lagensignaturen haben demnach die Lagen 14 u. 18-22 eine Gemeinsamkeit. Diese wird jeweils durch die Beschaffenheit des Schriftspiegels verstärkt. Schon Autenrieth sah, dass der Spiegel der Lagen 1-12 (p. 1-182 bzw. 166) mit einem im Blatt gewissermaßen freischwebenden Spiegel- oder Bilderrahmen eingerichtet ist, was der Gewohnheit der westfränkischen Schreiber entspricht, während die Lagen 18-22 (p. 265-344) so liniert sind, dass die oberste u. unterste Querlinie bis an die Blattenden durchgezogen werden, wie es zumeist die st. Galler handhaben. Die dazwischen liegenden Lagen 13-17 (p. 183 bzw. 167-264) haben einen wechselnden, einige Einzelblätter den st.gallischen Spiegel.
Schon 1904 hatte Chroust festgestellt, dass mit dieser Lagenteilung verschiedene Schriftstile übereingehen. Er sah auf den Seiten 16, 29, 30, 184-214, 228-232, 265-343 die Hand eines St. Galler Schreibers A, auf den Seiten 1-15, 17-28, 31-48, 51-183, 215-227, 233-264 dagegen die Hand eines nicht st.gallischen Schreibers B tätig. Die Seiten 49-50 stammen nach Chroust von Hand C, die nur gelegentlich mitarbeitete. Schreiber B habe das Schreiben in einer anderen Schule gelernt, Charakteristica seiner Schrift erinnerten «an westfränkische Schreibart»; zudem sei seine Schrift nicht gleichartig. Hand A - der St. Galler Schreiber also - habe zudem in den von B geschriebenen Teilen zu den von jenem nicht ausgeführten Psalmtituli Griffelanweisungen gemacht, «auf Grund deren B die Überschriften in schmaler Kapitale mit roter Farbe anfertigte» (- Irrtum Chrousts, die Tituli sind st.gallisch: vgl. Schaab, S. 59, Anm. 12). Auch die Orationen am Schluss eines jeden Psalmes stammten durchgehend von der St. Galler Hand A. Chroust hatte damit den heterogenen Charakter der Hs. erfasst. Dass Partien der Schrift «eindeutig französischen Charakters» sind, bestätigte Bischoff 1988 in einem Brief an Ochsenbein (Schaab, S. 60f.). Die westfränkisch geschriebenen u. illuminierten Teile sind in der Qualität schwankend, sodass es naheliegt, zwei Schreiber u. Illuminatoren an der Arbeit zu sehen.
Mit diesem Wissen begab sich Schaab 1995 an die nicht nur auf die Kodikologie sowie die Schriftarten, sondern auch auf den Schmuck der Hs. bezogene Analyse. Die westfränkische Schriftart und ihre Eigenheiten fand er in den von Koehler/Mütherich V behandelten Handschriften der Hofschule Karls des Kahlen (westfränkischer König 840-877; römischer Kaiser 875-877) vorgegeben, wo der rahmende Schriftspiegel in den Hss. [Paris Arsenal 1171] u. [Paris BNF Lat. 2292] nachweisbar sei. Diese Übereinstimmungen veranlassten Schaab (S. 68) zu dem Schluss, der Grundtext des Psalterium aureum sei von «mehreren Schreibern zum einen bis Ps. 77,21 (p. 184, Z.5), zum andern schon von Ps. 88,43 bis Ps. 108,3 (p. 215-264) vollendet gewesen» ehe es nach St. Gallen gekommen sei. Textliche Untersuchungen an den Ps 70-85 durch Vergleich mit dem Psalter Karls des Kahlen ([Paris, Lat. 1152]) hatten ihn in dieser Annahme bekräftigt: Sang. 22 war ein schon um 860 in der Hofschule Karls entstandenes Frühwerk dieser Schule, zur Illustration angeregt von einem bebilderten byzantinischen Psalterium der aristokratischen Psalter-Gruppe (S. 68f.). Der Illustrationsversuch in Anlehnung an die Tituli Psalmorum sei jedoch nicht zuletzt aufgrund der disproportionalen Verteilung auf die 150 Psalmen aufgegeben worden. In diesem fragmentarischen Teil eines Psalteriums waren nach Meinung Schaabs die Bilder in ihrer figürlich-zeichnerischen Gestalt bereits angelegt und auch einige Zierseiten farblich ausgeführt; anderes sei erst in St. Gallen bei der Vollendung der Hs. in verschiedenen Etappen dazu gekommen.
Bei der Frage nach dem Format, die Schaab aber nicht stellte, zeigt sich, dass der Folchart-Psalter (38 x 29 cm) u. das Psalterium aureum (37 x 28 cm) formatgleich sind. Dabei ist das große Format des Folchart-Psalters gewiss im liturgischen Gebrauch begründet, der die gute Lesbarkeit einer großen Schrift voraussetzt. Die königlichen Psalterien wie der Psalter Karls des Kahlen ([Paris, Lat. 1152] = 24 x 19,5 cm) u. der Psalter Ludwigs des Deutschen ([Berlin, Theol.lat.fol. 58] = 29,4 x 24,6 cm) sind im Format kleiner. Es wird so wahrscheinlicher, dass das Psalterium aureum nicht etwa am Hof Karls des Kahlen, sondern in St. Gallen geplant wurde, wahrscheinlich für einen ostfränkischen König, dessen Buch man mit Goldschrift u. dem illustrierten Leben König Davids auszeichnen wollte. Diesen Plan ließ die Anwesenheit westfränkischer Schreiber u. Illuminatoren in St. Gallen reifen. Über sie wissen wir nichts, doch sind solche Besuche in der Abtei nichts Außergewöhnliches, die Mönche von St. Martin in Tours sowie die Kanoniker u. Mönche von Langres waren mit St. Gallen verbrüdert (vgl. Werner Vogler, St. Martin in Tours und St. Gallen. Europäische Beziehungen zwischen zwei karolingischen Klöstern, in: Codices Sangallenses, Festschrift für Johannes Duft, Sigmaringen 1995, S. 117-136, hier bes. S. 126f.; Geuenich, in: Kloster St. Gallen, S. 94), Bischof Ado von Vienne (um 800-875) übersandte durch seinen Presbyter Beroldus 870 sein Martyrologium (vgl. [Nr. 116]) nach St. Gallen [(]Duft, Abtei St. Gallen II, S. 112f.).
Dass ihr Prinzip der Psalterillustration, nämlich die Tituli Psalmorum mit ihren auf das Leben König Davids bezüglichen Stellen ins Bild zu setzen, wegen der Disproportionalität ihrer Verteilung im Psalterium ungeeignet war, wussten die Westfranken bei Beginn der Arbeit offenbar noch nicht. Es hätte aber zwischen Ps 68 (letztes ausgeführtes Bild) u. Ps 150 beträchtliche Strecken ohne Illustrationen gegeben (vgl. Eggenberger 1987, S. 159-167). Zudem griffen die Westfranken zu einem anderen Gliederungssystem durch Initialen, als es in St. Gallen üblich war, nämlich zu der die Mitte des Ganzen betonenden hebräischen Fünfteilung (1, 41, 72, 89, 106) und zur römisch-liturgischen Achtteilung der Psalmen (1, 26, 38, 52, 68, 80, 97, 109), die in der Matutin u. Vesper während der Woche gebetet wurden. Aber auch diese Ordnungen hatten sie nicht konsequent gehandhabt, sodass die St. Galler sie später nach ihrem Brauch (Dreiteilung u. Dekadengliederung) korrigierten.
Die westfränkischen Schreiber des Psalterium aureum sind keineswegs große Künstler, und es besteht schon von daher kein Grund, sie am Hof Karls des Kahlen in den Reihen Beringars und Liuthards zu suchen. Schrift, Initialen- u. Figurenzeichnung sowie Farbgebung u. Farbmischung sind ziemlich weit entfernt etwa vom Evangeliar Liuthards in Darmstadt ([Hessische Landes- u. Hochschulbibliothek, Hs. 746]). Die Vorlagen zu den Zeichnungen der Davidszenen sind eher in der lateinischen AT-Illustration zu suchen als in einem byzantinischen Psalter der Makedonischen Renaissance wie dem Bristol-Psalter ([London, Add. 40731]). Die Makkabäer-Illustration im [Leidener Perizoni Fol. 17] bietet dazu eine Parallele (Nr. 133). Das künstlerische Problem des westfränkischen Fragments besteht außerdem darin, dass sein auf der Purpurzeichnung basierender Schmuck - wie Schaab sah - von den St. Gallern ergänzt wurde. Festzustellen ist, dass alle Zeichnungen (auch das David- u. Hieronymusbild) dieselbe, manchmal etwas braun getrübte Purpur-Feder aufweisen, die auch die Lagen 8-10 linierte. Doch sollte man sich diese Purpurzeichnung nicht als autonome Zeichnung denken; der künstlerische Akkord zum Gold der Schrift besteht, wie etwa p. 147 Ps 62 zeigt, aus Purpur, Minium, Grün, Goldhöhung u. Pergamentaussparung, die Bodenwellen gehören dazu, Blau u. Gelb sind nicht auszuschließen. Dass die Illustration in St. Gallen u. nicht in Westfranzien abgebrochen wurde, scheint uns die autonome Zeichnung auf p. 350 in Sang. 855 ([Nr. 56]) zu beweisen. Sie stammt von einem Künstler, der um die Illustrationsprobleme des Psalterium aureum wusste. Seine Zeichnung mit der Darstellung König Salomos zum Titulus von Ps 71, unter dem im Psalterium aureum auf p. 168 jetzt noch der leere Platz für die Darstellung ist, passte inhaltlich u. formal exakt dorthin, fand aber darin keine Aufnahme. In dieser Lage (12) gibt es im letzten Drittel der Seite eine weitere Aussparung mit der Vorzeichnung eines querrechteckigen Rahmens, geteilt von einer ihn überschneidenden Säule. In den Feldern dazwischen waren nach dem Titulus zu Ps 72 David u. Asaph (vgl. Eggenberger 1987, S. 160) darzustellen gewesen. Im Verhältnis zu den übrigen Bildern wären diese Figuren aber zwerghaft ausgefallen. Es war der letzte Versuch, den Psalter mit einem Bildprogramm zu durchziehen.
Was geschah nun mit den fragmentarisch beschriebenen u. ebenso geschmückten Lagen nach dem Weggang der Westfranken? Die St. Galler machten sich daran, es zu vollenden u. taten dies recht imposant im Sinne der eigenen Tradition (vgl. [Nr. 97]). Hauptanliegen war die erkennbare Auszeichnung der Psalmen 1, 51 u. 101 sowie der Dekadenpsalmen 11, 21, 31 usw. Mit dem Austausch des Bifol. p. 15/16 u. 29/30 für die Initialzierseite B(eatus) p. 15, die künstlerisch in der Tradition des Folchart-Psalters ([Nr. 97]) steht, griffen sie souverän ein. Ergänzungen u. Verbesserungen standen aber auch in den Vorreden an, die Ranke im Binnenraum des D(avid) p. 4 ist im Gegensatz zum Buchstabenkörper st.gallisch. In Lage 9 (p. 119-134) hatten die Westfranken Ps 50 (anstatt Ps 51) mit der Initiale MI(serere) p. 119 ausgezeichnet, bemerkten aber anscheinend ihren Fehler bei Ps 51 u. gaben ihm mit dem Q(uid gloriaris) p. 123 eine auch in den Augen der St. Galler ausreichende Betonung. Die nach der hebräischen Einteilung mit Ps 72 als Mitte des Psalters besonders ausgezeichnete Initiale QVA(m bonus) p. 171 war von den Westfranken, wie der Akanthusrahmen deutlich zeigt, in Vorzeichnung angelegt u. teilweise ausgeführt; die St. Galler überarbeiteten sie u. besetzten die schwungvolle Cauda mit einem ihrer Hundsköpfe. Ps 101 hatte auf p. 238 durch eine Titelseite (Oratio pauperis - precem suam) u. p. 239 durch die Initiale d(omine exaudi) seine Auszeichnung erhalten, letztere führten im Folchart-Stil wieder die St. Galler aus. In den Psalmen davor gab es viele kleinere Initialen, die von der St. Galler Redaktion überarbeitet u. teilweise größer gemacht wurden als der ausgesparte Raum es erlaubte. Es waren vor allem die Initialen der Dekaden-Psalmen (vgl. Schaab, S. 68f.). Als eigene Arbeit stand nun die Ergänzung der Lagen 13-14 (p. 183-214) mit den Psalmen 77-88 an. Nach westfränkischem Brauch begannen sie die Psalmanfänge mit Goldmajuskeln, Ps 80 (röm. Einteilung) p. 197 jedoch betonten sie mit der typisch st.gallischen Initiale E(xultate) in Gold, Minium u. Pergamentaussparung. Ein nächster Schritt wäre die Ergänzung des gesamten Psalmtextes von Ps 108, 4-150 bzw. 151, der Cantica, Glaubensbekenntnisse u. der Litanei gewesen. Doch dieser Schritt zerfällt merkwürdigerweise in zwei zeitlich getrennte Perioden; Ps 151 u. der Psalteranhang wurden zudem nicht ausgeführt. Die erste Periode erfasst die Lagen 18-19 (p. 256-296), wobei in Lage 18 alle Psalmanfänge eine 3-zeilige Initiale im Folchart-Stil erhalten, die Textabschnitte des langen Psalmes 108 nach der Initiale B(eati immaculati) p. 282 werden jedoch mit Majuskeln in Gold ausgezeichnet. Nach Abschluss dieser beiden Lagen scheint die Arbeit wieder eingestellt worden zu sein, denn die Lagen 20-22 (p. 297-343 Ps 119-150) zeigen alsdann zu Ps 121, 131 u. 141 Initialen im Stil der Salomozeit (890-920). Das L(aetatus) p. 302 mit zwei Hundsköpfen an den Enden sowie Sporangien mit welligen Fäden u. das M(emento) p. 312 sind eindrucksvolle Zeugnisse des Spätstils der Salomozeit. Die Ergänzer dieser Periode fanden offenbar auch in den westfränkisch geschriebenen Teilen noch zu korrigierende Stellen. Die Initialen b(onum est) p. 221 zu Ps 91 u. C(antate Domino) p. 228 zu Ps 95 sind aus dieser Periode.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit gehörte das oben als A bezeichnete Einzelblatt (Davidbild) zum ersten Bifol. des ersten Quaternio, dessen damit verbundenes letztes Blatt (vor p. 15/16 in Lage 2) heute fehlt. Es enthielt wohl auf der Vorderseite ein Herrscherbild u. auf der Rückseite den jetzt fehlenden Titel aus p. 30 im Folchart-Psalter ([Nr. 97]), der den hl. Hieronymus als Herausgeber des Psalteriums würdigt und zugleich Ps 1 auf der gegenüberliegenden Seite einleitete. Das Bild des Kirchenvaters (p. 14) hätte dann dem Herrscherbild [p. 15] gegenübergestanden. Diese Bildordnung - David, Hieronymus, Herrscher - findet sich in Umstellung von David, Herrscher, Hieronymus im Psalter Karls des Kahlen, muss aber keineswegs von dorther übernommen sein. Die typologische Beziehung einerseits zwischen David u. dem Herrscher, nämlich David u. Karl dem Großen sowie andererseits zwischen Hieronymus u. den von Karl beauftragten Bibelrevisoren (Alkuin) liegt schon dem Bildprogramm der Elfenbeintafeln des Dagulf-Psalters (Paris, Louvre) zugrunde. Als in diesem Bild des Psalterium aureum darzustellende Könige kamen am ehesten die ostfränkischen Könige Ludwig der Deutsche (843-876) u. Karl III., der Dicke (876-887; Kaiser 881) in Frage.
Die Ausführung der Bilder wirft besondere Fragen auf. Ihre Grundlage ist allenthalben die Zeichnung, die bis p. 137 Ps 58 in Federzeichnung mit Purpur u. Minium angelegt ist, p. 140-141 u. 147 in Braun, p. 150 u. 160 in Purpur u. Braun. Das David- u. Hieronymusbild (p. 2 u. 14) gehören in der zeichnerischen Anlage mit Purpur-Feder eindeutig zusammen, die Akrotere des Hieronymusbildes dagegen sind in Minium angelegt. Zusammen mit anderem vegetabilem Schmuck beispielsweise auf p. 59, 147 u. 160 bilden sie st.gallisch-westfränkische Mischformen, die schon Merton (S. 44) an das Drogo-Sakramentar, ein Hauptwerk der Schule von Metz, erinnerten. Es wäre falsch, die nachfolgenden Zeichnungen aus dem Leben Davids technisch u. im Stil von diesen Bildern zu trennen. Die Bilder sind keineswegs heterogen
[(]Autenrieth, S. 346; Schaab, S. 75). Auch ihre Farbigkeit hat eine ursprüngliche Konzeption, zu der die Farben Minium, Gelb, Grün, Blau, Braun u. Schwarz sowie leichte Goldhöhungen u. Vergoldung von Buchstaben wie des S(alvum) p. 160 Ps 68 oder der Arkaden u. Giebel des David- u. Hieronymusbildes gehören. Wie weit die Kolorierung von den Westfranken u. was von den St. Gallern gemacht wurde, kann hier nicht geklärt werden. Der marmorierte Purpur der Bilder und die Purpurbalken u. Purpurfelder im Schriftbereich sind st.gallisch. Der Eindruck der Heterogenität der Bilder ist vorlagenbedingt, technisch werden sie kaum auseinander zu dividieren sein. Alle Bilder wurden wohl von den Westfranken aufgrund in St. Gallen liegender, nicht mehr erhaltener alter Vorlagen zusammenkomponiert.
Die originalen westfränkischen Initialzierseiten wie p. 99 Ps 41 q(uem admodum), p. 119 Ps 50 M(iserere mei) u. p. 160 Ps 68 S(alvum me fac) kontrastieren zu allen st.gallisch illuminierten Seiten so, dass man am ehesten über sie den Westfranken auf die Spur kommen kann. Einerseits besetzen sie die Enden der Initialkörper mit ganz bestimmten Typen von Löwenköpfen, die im St. Galler Repertoire fremd sind. Andererseits mischen sie im Füllwerk der Initialen beispielsweise Lilienreihen mit kleinen Staubfäden oder verwenden als Binnen- u. Endmotive Akanthusblattwedel. Dieser Formenschatz findet sich, natürlich in unendlich reicherem Maße, in der in Reims vor 875 entstandenen Bibel von St. Paul vor den Mauern in Rom (fol. 4v, 9v, 10v usw.). Im Verhältnis zu diesem monumentalen Spitzenwerk der westfränkischen Kunst bilden die genannten Initialen im Psalterium aureum nur einen Abglanz.