Cologny, Fondation Martin Bodmer, Cod. Bodmer 145
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Wetzel René, Deutsche Handschriften des Mittelalters in der Bodmeriana, Cologny-Genève 1994, S. 164-169.

Titre du manuscrit: Marquart von Stadtkyll: Chirurgie und Von den Zeichen des Todes - Medizinische Rezepte aus der wundärztlichen Praxis
Origine: Südwestdeutschland
Période: 15./16. Jh.
Support: Papier. Wz.: 1. Für alle Sexternionen bis Bl. 100 Wz. Wappen von Frankreich mit 3 Lilien (2 über 1), aufgesetzter Blume auf einkonturiger Stange u. der Initiale t unter dem Wappen, ähnl. Piccard XIII, Abt. 3, Nr. 1657 (dazu Form A Nr. 1656), Siegen 1483 (nordostfrz. Provenienz für die Gruppe 1516-1861); 2. Der Quinternio Bl. 101-110 u. der Sexternio Bl. 127-138, evt. auch die 1. Lage (bzw. 4 Vorsatzbll.; kein Wz. sichtbar) mit dem Wz. einer gekrönten Lilie u. den Initialen Jb, ähnl. Piccard XIII, Abt. 1, Nr. 683, Frankfurt a. M. 1481 (vgl. die ganze Gruppe 683-686 [1478-1481] u. BR. 7251 [1467-1479]). Mit JB ist nach BR. (S. 389f.) wahrsch. der Papierhersteller Jean Lebe (Le Ber, Le Bey, Le Bez) gemeint (Papiermühlen in Troyes von la Pielle ab 1461 u. von Sancy ab 1476). Die Initialen finden sich auch in den Wz. BR. 7064/65 u. vor allem in BR. 1760/61 wieder, die unserem Hauptwz. für alle Sexternionen bis Bl. 100 nahestehen (3 Lilien im Wap- pen, ohne Blume, aber Initiale t und Jb). Wir werden also das t in unserem ersten Wz. ohne Bedenken Troyes zuschreiben können (so auch Briquets Vermutung); 3. Die beiden Quaternionen u. die letzte Lage (bzw. 5 Nachsatzbll.) mit Wz. Ochsenkopf mit einkonturiger Stange u. Kreuz, Augen u. Nasenlöchern, eine Var. von Piccard 11, Abt. 7, Nr. 66 (Straßburg 1483 u. 1484, nur in Druckpapieren nachgewiesen). Piccard gibt für die Wz. 61-73 dieser Abt. die Herkunftsangabe "Nordfrankreich - Burgund?".
Volume: I + 143 Bll. + I
Format: 20,0 x 14,2
Numérotation des pages: Neuere Bleistiftfoliierung 1-143 (ab Bl. 10 meist nur jedes 5. oder 10. Bl. mit Zählung versehen), Vor- u. Nachsatzbl. mit A bzw. Z bezeichnet. Für die Bll. 9-138 alte Tintenzählung 1-130 (Bl. 139-143 sind die Ecken abgerissen u. z. T. durch neuere ergänzt, so daß die alte Zählung 131-135 verloren gegangen ist; Bl. 115 zweimal gezählt, dafür Sprung von Bl. 121 zu 123). Im folgenden wird nach der neuen Bl.zählung zitiert.
Composition des cahiers: 14 (12?) Lagen, in der Majorität Sexternionen: 1 + II4 (?) + 8 VI100 + V110 + 2 IV126 + VI138 + II(+1)143 (?) + 1. Der kartonartige Vor- u. Nachsatz bildet je das Gegenstück zum Spiegel des Vorder- bzw. Hinterdeckels u. ist mit Sicherheit erst beim erneuten Binden der Hs. im 19. Jh. dazugekommen. Die Zusammensetzung der ersten u. letzten Lage (4 bzw. 5 Bll.) ist nicht mehr zu eruieren ohne den Buchblock aufzulösen. Möglicherweise dienten diese ursprünglich als Vor- u. Nachsatzbll. u. waren der ersten bzw. letzten Lage vor- respektive nachgeklebt, so daß sie nicht als eigenständige Lagen gezählt werden könnten. Diese Annahme wird durch die alte Lagenzälung gestützt: a-i für die 8 Sexternionen u. den Quaternio, am Ende jeder Lage: die Zählung beginnt erst mit dem 1. Sexternio.
Etat: Die Hs. wird im 19. Jh. neu gebunden worden sein, mit den ursprünglichen Holzdeckeln u. wohl ohne den Buchblock u. die Lagen herauszulösen. Das Papier teilweise stark abgegriffen. Schmutzränder, Flecken verschiedenster Art. Kleinere Einrisse. Ausrisse Bl. 1 mit Papier ergänzt, ebenso die Ecken 140-143. Ausriß mit Textverlust Bl. 93. Die Bll. 139 u. 141f. teilweise ausgeschnitten. Das Ochsenkopfpapier stärker gebräunt. Der Buchblock im übrigen gut erhalten.
Mise en page: Schriftraum ca. 15,0-16,0 X 9,0-11,0; einspaltig, fortlaufend geschriebener Text. Bis Bl. 108 19-24 Z. pro S., danach stark variierend, im Schnitt um die 20 Z. Sp.rahmen (Tinte) teilweise sichtbar.
Type d'écritures et copistes: Hauptteil (5r-109r) rubriziert. Die Hand dieses Hauptteiles eine kräftige dt. Bastarda wahrsch. noch des 15. Jhs. u. viell. oberrhein. Ausprägung. Mit der Zeit löst sich der strenge Duktus auf in Richtung einer zur Kursivität neigenden, lockeren u. feineren Schrift, verbunden mit einem Federwechsel. Vor u. nach diesem Teil Ergänzungen von mind. 10 weiteren Händen viell. ebenfalls noch des 15. u. des ganzen 16. Jhs., der Großteil in flüchtiger Kursive. Verteilung der Hände:
  • 1. 1v u. wahrsch. 110r-115r, kleine Kursive des 15./16. Jhs.
  • 2. 2r-4r u. 109r/v Hand des Hans Will (109r In Ano [15] 38 Hanns Will).
  • 3. 5r-109r Haupthand.
  • 4. 115r-128r Kursive des 15./16. Jhs.
  • 5. 128r, Mitte, u. 128v-129r, kleine Kursive des 15./16. Jhs.
  • 6. 128r, unten, 129r/v u. 132v, unten, breite Bastarda-Kursiva des 15./16. Jhs.
  • 7. 130r, 131v-132v, 134r-136r, 137v, flüchtige Kursive des 15./16. Jhs.
  • 8. 133r flüchtige Kursive derselben Zeit. 138r, 138v, oben u. unten, Kursive des 16. Jhs. (138v, oben, mit anderer Tinte aber vom selben Schreiber?).
  • 10. 138v, Mitte, Kursive des 16. Jhs.
  • 11. 139r Kursive, NB Noriberg [15].96.
Décoration:
  • Hauptteil (5r-109r) rubriziert.
  • Im Hauptteil rote, nur wenig verzierte Initialen (meist einfache Lombarden, in einzelnen Initialen Köpfe), 2 Z. hoch, zu Beginn der einzelnen Kap. bzw. Rezepten bis 84r, danach mit Ausnahme von 85r nicht ausgeführt (Repräsentanten sichtbar). Größere Intitialen für die Vorrede 5r u. den Beginn des Textteiles 8v.
Reliure: Manuskripteinband (perg.) des 16. Jhs. auf abgeschrägten Holzdeckeln, Lederrücken des 19. Jhs. Durch das Einbandpergament des Hinterdeckels hindurch ist ein Metallschließenteil spür- u. sichtbar. 3 doppelte erhabene Bünde, je ober- u. unterhalb davon doppelte Filetenlinien. Auf dem obersten Feld des Rückens ein rot-glänzendes Titelschild aus Papier (19. Jh.) mit Goldprägung. Das Perg. des Einbandes von einem Antiphonar (Vorderdeckel sed no(n) cognoscebat e(am) = Mt. 1,25) des 16. Jhs. stammend, mit schwarzer Quadratnotation auf 5 roten Notenlinien, Text in einer großen got. Quadrattextur. Die Innendeckel mit starkem Papier (19.Jh.) beklebt (Gegenstücke als Vor- bzw. Nachsatzbl.). Bleistifteinträge der William Schab Gallery (LXVI,105 [wohl irrtümlich statt XL VI, 105 = Nummer im Katalog]; WS 5382 / DCIM), bibliotheksinterne Einträge der Bodmeriana. In die Lagenmitten Perg.streifen zur Verstärkung eingebunden, z. T. beschriftet mit einer kleinen got. Kursiven (15. Jh. ?), nichts Zusammenhängendes lesbar.
Langue principale: Alem. Dialekt des Hauptschreibers, viell. els. Ausprägung. Ähnl. mundartl. Tendenzen auch bei den anderen Schreibern festzustellen. Hans Will hebt sich durch seine in weiten Teilen durchgeführte nhd. Diphtongierung von den anderen Schreibern ab.
Sommaire:
  • 1. 5r-50r Marquart von Stadtkyll: Chirurgie (dt. Fassung des 7. Traktates von Rhases' "Liber ad Almansorem")
    • (5r) 1. Vorrede. Hie hebett sich an das teil des büches, das gemacht und geschriben hat der hohe meister und lerer, den man nennet Almamsor oder Bias, und dar in so lerent er von mangerhand artzennye, die man sol würcken und heillen mit den henden, und heist man sie in dem lattin Cirurgia
    • (5r-83) Register, alphabetisch (Ergänzungen u. Seitenzahlen jünger)
    • (8v_9r) 2. Vorrede. Hje hebet sic hane das deil des bůches Riasis oder Alma(n)soris und lerent von sweren und bein brichen und sust an der artzenye und heisset in dem lattin Cirurgia und hat vil capittel und stu̓ck von salben und plasteren und pulver, als sie dan noch en ander volgent in der geschickung desz bůches, und wer disser lere noch volget, dem mag nit miszlingen
    • (9r-50r) Marquarts Chirurgie in 27 Kapiteln. Von der spisz der siechen menschen / Du solt wissen zü dem ersten, wasz dersiechen spisz sol sin und von und von [sic] der uszdrenckung und von den gebenden der bein brichen, die gebrochen sint, dar inne clein scharff bein sint …–… und alsso han ich Marquart, der do geheissen iste Warlam von der stat zu̓ Killen ein artz genant von Taigelen der stat, das su̓ben bůch Rasis des meisters bracht usz dem lattin in das tu̓sche, als er aller beste mecht durch mines lieben frindes wegen und bet willen und mit grosser arbeit der sinen und vernunfft, und han volbracht mit der hilff des almechtigen gottes jn den joren als man zalt von Cristus gebu̓rt dusigt jor und xxxviijor, des nechsten donsterstag noch palmen, den man nenet den grienen donderstag, des got und Maria nů und zů allen ziitten gelep und geret werde, jn secullia s(e)c(u)lor(um).
    In der Schwesterhs. unseres Cod., dem Heidelberger Cpg 786 (medizinische Textsammlung des "Juden von Kreuznach" in der Abschrift von der Hand des Pfalzgrafen Ludwig V. um 1525. Das 4. Buch (ab 58v) bringt das Antidotarium des Nicolaus Salernitanus in dt. Sprache, Marquarts Rhases-Übertragung, Marquarts Zeichen des Todes sowie Rezepte zu Ölen, Salben, Pulvern, Wässern u. Bädern, vgl. Peter Assion, Artikel "Jude von Kreuznach", 2VL 4, Sp. 887f.) nennt sich der Übersetzer "marquart der do gehaissen ist warlam von der statt zum kylen ein artzt genant von kaigelen der statt (...) in dem xxxvüj jore". Sudhoff (Beiträge 11, S. 446f.) hat nach unserer Hs. auf einen "Marquart, genannt Barlam zu Köln von Taigelen der Stadt" (vermutlich Tegelen in der nl. Provinz Limburg) geschlossen u. datiert die Rhases-Überarbeitung auf 1538 statt 1438. G. Scheneider (s. u.) hingegen konnte die Formen "statt zum kylen" u. "stat zu killen" im Mittelalter für Stadtkyll in der Eifel nachweisen, wenn auch ohne einen Wundarzt u. Bürger von Stadtkyll mit dem Namen Marquart oder Barlam. Da Marquart in unserer Hs. Bl. 45r davon berichtet, disz blotteren sach ich einer zů lubicke an eine(m) kinds fůsz, ist es viell. auch nicht ganz abwegig, Marquart im der Stadt Lübeck nicht allzu fernen Kiel (Gründung "tom Kyle"!) zu suchen, zumal wenn wir Marquarts limburgische Herkunft einbeziehen? Das Stadtarchiv Kiel konnte uns Marquart allerdings nicht nachweisen (Aufzeichnungen erst ab Anfang des 17. Jhs.!).
    Außer Cod. Bodmer 145 u. Cpg 786 sind bislang keine weiteren Textzeugen dieser dt. Übertragung des 7., der Chirurgie gewidmeten Traktates von Rhases' "Liber ad Almansorem" bekannt.
    Vgl. G. Schneider, Marquart von Stadtkyll, ein deutscher Wundarzt aus der Eifel. In: Medizinische Monatsschrift 11 (1957), S. 39f.; Peter Assion, Artikel "Marquart von Stadtkyll". In: 2VL 6, Sp. 128f.
  • 2. 50v-58v Marquart von Stadtkyll: Von den Zeichen des Todes
    Jn dissem noch geschriben artdicklen und zeicben sol ein ieglicher wund artz erkennen und mercken, ob der wunde mensche sterben oder genessen mege. / Nu wil ich Marquart beschriben die zeichen des todes, die von den wunden menschen an kumen, ob er von der wunden sterben oder genessen suͤlle […] als uns beschribt Rasis in synem wunt artz bůch, das geheissen ist und genant post mu(n)di fabrica(m) […] [543 ] Von den zeichen der wunden, die unsz Ypocratz beschriben hat. / Nů wil ich sagen und beginen die zeichen zů settzen von den wunde(n), die uns Ipocratz schribet in synem bůch affonmar(um), in dem finften gesetz des bůches, welch mensch wunt wu̓rt by dem ricken …–… das betu̓t unsz, das die hu̓rn schal ist zerslagen alsso in das gehu̓rne, als unsz beschribet Ypocratz, wan wurde ab gesnitten oder ab gehouwen ein bein oder ein carthilage, das heisset dasz dime(n) (?) bein von der nassen oder von den oren oder desz glichen, das heillet nit mer an dem lichnam, das ist ouch offen bar genůck.
    Im Gegensatz zur damals verbreiteten empirisch-mantischen Prognostik fließen bei Marquart empirisch-wundärztliche Kenntnisse (Probetränke) ein. Als hauptsächlichste Quelle nennt er wiederum Rhases, allerdings zu Unrecht, stellt doch "post mundi fabricam" (50v) das Incipit des Prologs von Roger Frugardis Chirurgie dar (vgl. Sudhoff, Beiträge 11, S. 156), aus der Marquart auszugsweise (Beurteilung der Schädelwunden) geschöpft hat, wenn ihm nicht bereits schon eine dt. Übersetzung vorgelegen hatte. Weiter werden mehrere Male Hippokrates u. Galen genannt. Sudhoff (Beiträge 11, S. 447) wertet den Text als Beweis dafür, daß Rogers chirurgischer Leitfaden in dt. Wundarztkreisen bekannt war. Der Text folgt auch im Cpg 786 dem ersten Marquart-Stück.
    Vgl. Joachim Telle, Funde zur empirisch-mantischen Prognostik in der medizinischen Fachprosa des späten Mittelalters. In: Sudhoffs Archiv 52 (1968), S. 130-141, hier besonders S. 135, Anm. 24.
  • 3. 59r-109r Marquart von Stadtkyll (?): Rezepte aus der wundärztli- chen Praxis für die Therapie
    Von rosz oͤlle einsz./ Ross elley wu̓rt alsso und ist gůt zů allendingen, do zů man es nynempt …–… Jtem lobstuckel und yssop und weͦrmut, der nym jeglichs ein hempflein und sudes in halbe(m) win und in halbe(m) wasse(r), und in ein duch und als warm u̓ber den buch geleit ist gůt fur die bermůtt(er)
    Nicht mehr ausdrücklich als Werk Marquarts bezeichnet, folgt eine große Anzahl von Rezepten (über 100) für Pflaster, Salben, Pulver, Bäder u. ä., z. T. wiederum in derselben Form u. in der 1. Pers. Sg. wie bei den ersten beiden Teilen, möglicherweise also ebenfalls von Marquart zusammengestellt. Die Rezepte schöpfen auch hier aus der wundärztlichen Praxis (z. B. 74v ... und losz es by den vor genante(n) stuͦcken bliben, als ich sie dan versucht und bewert han, jn dien und in mange(m) land han ich es bebwert). Auswahl, Reihenfolge u. Wortwahl entsprechen weitgehend dem Text des Cpg 786, doch ist letzterer vor allem gegen Schluß reichhaltiger, indem er um die 30 weitere Rezepte ein- u. anfügt. An einzelnen Rezepten u. Referenzen seien hier nur einige wenige zitiert: ungentu(m) dialthee (59r, auch 81r), vgl. ein ähnliches Rezept von Roger Frugardi bei Sudhoff, Beiträge 11, S. 206; Nu wil ichsettzen ettlich salben, die gůt sint und unsz dan Johannes Mesue beschribet jn synem antidotario, und sint die salben, dar von unsz ouch Nykodemusz schribet in sinen bu̓cheren ... (61r/v, gemeint sind wohl Pseudo-Mesues "Graba- din", vgl. 2VL 6, Sp. 451-453 und das "Antidotarium Nicolai" des Nicolaus Salemitanus, vgl. 2VL 6, Sp. 1134-1151); Disz ist von allerhand gswulst, als unsz beschribet der meyster Diastorides...Diastordas der meister seit...(63r/v; Dioscurides?); Disz ist das plaster, das man nenet gratteia deyi, das ist die gotz goͤnod (64v, auch 97r); von dem drachen bluͦtte (67v); Disz ist juden plaster, das man nenet von Jerusulam (68r; auch 104v, 105r; und der dranck, dergehert zuͦ dem juden piaster, 70r); ungentu(m) apostolicum (71r, auch 83r, 83v); das wert [sic] unsz meister Gentil von Jndien (73r); ein wasser derjugen[t] und der tugent (75v); Disz ist ein salb, die unsz schribet Avicenna (80r); die salb, die man nenet das diaquilon (84r; das ganze Rezept von Schreiberhand gestrichen, auch im Register); Disz ist ein ungentum guͦt fustum (91r, auch 91v); Von der gulden milch (92v); Von dem krigschen piaster (93v, auch 95r); Von meister Jocops salben ...hat gemacht meister Jocopus und die salb ist von heisser nattur (98v, Jacobus de Prata?); Von der salben papulum (101v, im Text weiter unten populgum); Salben in allen möglichen Farben.
  • 4. , 109r-139r Über 150 nachgetragene medizinische Rezepte verschiedener Hände
    Ein gulden wasser […] Vur den stein […] [2r ] Regimendt und ordnûng von dem gûlden ey vor die pestelencz [Rezept des Hans Will, 2r-4v ] […] [109r ] Fûr den kalten brandt / Jt(em) nim vicktril ij lot, ij lot alûmen, iij lodt galepffel [Rezept des Hans Will] …–… sit aliquando natura aliquando per ingoscentia chirurgici NB Noribereg .96.
    Rezepte ähnl. Natur wie unter 3., darunter wieder einjudenpflaster (109v [Hans Will], 110v), Apostolicon (110r/v), Diaquilon (111v), ein Wasser der Tugend und Trank der Jugend (120v), eine Güldenmilch (121v). Nur eine direkte Referenz: Hans Will schreibt zu seinem Rezept gegen den kalten Brand, 109r: ... habe ich von meyster Bartel von Elsasz zaberen... (Magister Bartholomäus, Cyrurgicus aus Andlau? Ygl. 2VL 1, Sp. 615). 115r eine Aufstellung der 4 warmen Salben (agripa, marcyaten, arrogen, dialthea) u. der warmen Öle (biber geil el, reckoli(um) (?) el, wisz liligen el, ollum benedicktum von ziegelstein, peit(er) ollum stein el, ollum genant de costa, lor el und camillen el). 139r kurze Definitionen von Spasmus, Epilepsie u. Apoplexie.
Origine du manuscrit: unbestimmt, dem Schreibdialekt u. der Schrift nach viell. aus dem südwestdt. Raum. Ein erster Anhaltspunkt in der Geschichte des Bandes gibt der Eintrag 109r von Hanss Will [15]38. Die Gleichsetzung mit einem Mitglied des Luzerner Patriziergeschlechtes selben Namens, das um 1430-1460 nachgewiesen ist (vgl. Schab, Katalog 46), ist irrig, da schon das Papier nicht vor das letzte Viertel des 15. Jhs. zurückreicht. Scarpatetti (Datierte Hss. 11, S. 236) weist zwei Juristen dieses Namens für die in Betracht kommende Zeit (1538) nach, die wahrsch. nicht identisch sind. Von diesen kommt jedoch Johannes Will de Schära, Konstanzer Domkapitelnotar, nicht in Frage (gestorben vor 1519). Ein Konstanzer Bürger Johannes Will, im Zeitraum von etwa 1540-1570 in den Steuerbüchern belegt (freundliche Auskunft Helmut Maurer, Stadtarchiv Konstanz), könnte sein Sohn gewesen sein (vgl. Peter-Johannes Schuler, Notare Südwestdeutschlands. Ein prosopographisches Verzeichnis für die Zeit 1300 bis ca. 1520. Textband. Stuttgart 1987, Nr. 1511 u. Anm. 1). Der zweite Fall betrifft einen Joannes Wyll Prutenus ex Gunspergo in den Tübinger Universitäts-Matrikeln vom Oktober 1545 (vgl. die Matrikeln der Universität Tübingen. Hg. v. Heinrich Hermelinck. Bd. 1, 1477-1600. Stuttgart 1906, S. 323). Unser Hans Will wird jedoch wohl eher im medizinischen Umfeld zu suchen sein, da nicht nur das von ihm unterzeichnete Rezept Für den kalten brandt (109r), sondern auch ein ausführliches Regimendt und Ordnung von dem Gulden Ey vor die pestelencz (2r-4 r ) von seiner Hand stammt. Sein Dialekt weist in den großen els.-schwäb.-ofr. Sprachraum. Ein späterer Eintrag (139r) stammt aus Nürnberg, datiert [15]96.
Provenance du manuscrit: Danach finden sich keinerlei Spuren mehr im Cod. bis ins 19. Jh., wo wir Eintragungen u. Federproben von versch. Mitgliedern einer Familie Hegwein aus Herrnsheim (Kreis Kitzingen in Unterfranken), aus bäuerlichem Umfeld, feststellen. Es werden an Namen u. Daten vermerkt: 1r Konrad Hegwein, 1882; Elisabeta Hegwein, 1882; Margareta Hegwein, 1880(?); 4v eine Zahlenkolonne 1882 . 3 29 / 1869 8 2 / 12 5 17; 28v Kaspar und Kaspar Hegwein; 35v Herrnsheim, den 26. dezb. 1882; 41r zweimal die Zahl 19 u. einmal 19. dzb; 140r Mai. 8 Johann Hegwein (. . .) Luthwig (. . .); 140v Samuel Hegwein in Herrnsheim geboren den 16. Mai! und Johann! Hegein [sic] geboren den 25 Juni!; 141r Johann Hegwein; 141v Kaspar Hegwein von Herrnsheim, Christian Scha ...; 142r unter dem Titel Gold ein seltsamer Text (Briefentwurf?): Seelen nachgehen, dien (?) in Hr [= Herrnsheim?] den Taufunterricht enpfangen haben, es wären so nach und nach Seelen... [unleserlich] aus der Na- (?) Stadt! Samuel Heg- wein im Herrnsheim den; 142v Kaspar Hegwein, Christian [gestrichen]. In der ganzen Hs. weitere Federproben, Krakeleien u. Bemerkungen an freien Stellen oder am Rand. Die Verwaltungsgemeinschaft Iphofen sandte uns die Kopie einer Heiratsurkunde zu, gemäß welcher am 25. Mai 1880 in Herrnsheim der Bauer Johann Georg Hegwein (1825-1901) u. Maria Margaretha Endonss (1850-1912) den Bund fürs Leben schlossen (Zeuge Kaspar Hegwein). Interessanterweise erscheint als Mutter des Ehemannes Maria Kunigunde, eine geborene Rabenstein. Befand sich unser Cod. viell. zuvor im Besitz dieser alten adligen u. später verarmten fränk. Familie (Burg Rabenstein)? Ende 19./Anfang 20. Jh. gelangte die Hs. in den Besitz von Ignaz Schwarz, Wien (1867-1925; seit 1902 Mitarbeiter im Buchantiquariat Gilhofer & Ranschburg, Wien, 1909-1917 als Teilhaber, 1919 selbständig). Kurz vor dem 1. Weltkrieg erhielt sie der Medizinhistoriker Karl Sudhoff in Leipzig zur Beurteilung. Er erstattete sie erst nach den Kriegsjahren Schwarz zurück.
Acquisition du manuscrit: Martin Bodmer erwarb den Cod. im Februar 1969 von der William H. Schab Gallery, New York (Schab hatte 1925-1938 die Firma Gilhofer & Ranschburg geführt. Gingen Bücher aus dem Nachlaß von Schwarz in Schabs Besitz über?) Laut Auskunft von Frederick G. Schab erwarb die Firma den Cod. allerdings erst im Juni 1968 vom Antiquariat Robert Alder, Bern, was von Alder jedoch kategorisch dementiert wird.
Lit. zur Hs.:
  • Ignaz Schwarz, Die medizinischen Handschriften der kgl. Universitätsbibliothek in Würzburg. Beschreibendes Verzeichnis mit literarhistorischen Anmerkungen. Würzburg 1907, S. 45, Anm. 1;
  • Sudhoff, Beiträge 11, S. 446f.;
  • William H. Schab Gallery, Catalogue forty-six. Precious Books and Manuscripts from Aristotle to Freud. New York [1968], S. 88, Nr. 105 u. 2 Abb. Tafel 47;
  • Datierte Hss. 11, S. 47, Nr. 117 u. 111. 635.