Basel, Universitätbibliothek, N I 6:14
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Johannes Staub (Institut Bibliotheca Fuldensis der Theologischen Fakultät Fulda), 2015.

Handschriftentitel: Isidorus Hispalensis, Expositio in genesim (Fragment)
Entstehungsort: Fulda
Entstehungszeit: ca. 910-920
Beschreibstoff: Pergament
Umfang: 1 verstümmeltes Doppelblatt. Nach der Textlücke zwischen fol. I und II zu urteilen, das drittinnerste Doppelblatt einer Lage.
Format: 26 × 19,6 (Blattgröße) cm
Seiteneinrichtung: 26 Zeilen; Schriftraum ca. 19,5 × 13 cm
Schrift und Hände: fol. I von einer Hand, die der Schrift des ersten, bis 910 reichenden Teils der Fuldaer Totenannalen in Fulda, Hochschul und Landesbibliothek B 1 sehr nahe kommt und auch Verwandschaft mit einer Hand zum Jahr 912 in den Fuldaer Totenannalen in Rom, Biblioteca Vaticana Ottob. lat. 2531 zeigt; fol. II von anderer, nicht eindeutig zuordenbarer Hand (Hoffmann 1986).
Buchschmuck: Abschnittsinitialen in der Zeile rot umpunktet oder rot verziert, Ir in rot (in Textergänzung am Rand); Ir Überschrift in roter Maiuskel.
Spätere Ergänzungen: Korrekturen von mehreren Händen.
Inhaltsangabe:
  • [Isidorus Hispalensis, Expositio in genesim (13<,4>-14<,9> und 18<,10>-20<,1>);]
    • (I) […] servos et (von anderer Hand hinzugefügt) vernaculos et empticios (p von anderer Hand hinzugefügt) circumcidi precepit …–… Necdum enim poterant […]
    • (II) [ve]pribus herebat aries ille …–… et regno. Quid autem sibi vult […] .
    Textgeschichte: Druck: Michael M. Gorman (ed.), Isidorus episcopus Hispalensis, Expositio in Vetus Testamentum. Genesis, Freiburg u.a. 2009 (Vetus Latina. Aus der Geschichte der lateinischen Bibel 38), p. 46 (l. 1214) - p. 49 (l. 1274) und p. 58 (l. 1537) - p. 60 (l. 1604).
Entstehung der Handschrift: Es lässt sich mutmaßen, daß die ehemalige Handschrift ähnlich anderen Fuldaer Codices im 16. Jh. als Textvorlage für Drucke Basler Offizinen aus Fulda nach Basel kam. Im vorliegenden Fall – wie bei einer Reihe Fuldaer Isidor-Hss., deren Weg vergleichbar sein könnte (F III 15a-d, e [?], f, g, l) – ließe sich dies im Zusammenhang mit einer geplanten Isidor-Ausgabe von Heinrich Petri (1508-1579) sehen, von der wir um 1570 wissen (Gilly 1985, p. 91sq.). Isidor-Hss. im Besitz von Heinrich Petri sind 1569 belegt (Gilly 1985, p. 92, n. 15). Nach Ausweis der Tintenaufschrift vom Beginn des 17. Jahrhunderts, die auf eine Makulierung 1624 oder kurz danach schließen lässt, wäre die Handschrift dann vermutlich noch vor dem Konkurs der Offizin 1626 unter Sebastian Henricpetri (1546-1627) zerschnitten worden und so im Gegensatz zu den genannten Basler Isidor-Codices nicht mehr in den Besitz des Basler Sammlers Remigius Faesch (1595-1667) gelangt, der die Offizin samt Zubehör übenahm (cf. Hieronymus 1997). Der Codex ließe sich im Fuldaer Bücherverzeichnis in Basel (F III 42, 4v) vom Ende des 15. Jh. (Ba) identifizieren mit: Isidorus super vetus testamentum in quo et vita sancti Basilii et aliorum plurimorum sanctorum scilicet et vita Winfridi id est Bonifacii episcopi, cf. Schrimpf 1992, p. 116sq., nr 134; dem Eintrag entspricht im Vatikanischen Verzeichnis um 1550 (Vat. Pal. lat. 1928) der Eintrag 79: Isidorus super vetus testamentum. P<rincipium>: In principio fecit deus coelum et terram. Principium Christus est, sicut ipse in evangelio ait: Ego sum principium, qui et loquor vobis. F<inis>: Et quia panis et calicis sacramentum deo placitum esset in holocausto etc. [= Isidorus Hispalensis, De fide catholica zu Beginn des vorletzten Kapitels], cf. Christ 1933, p. 83sq.; in den weiteren Fuldaer Verzeichnissen bald nach der Mitte des 16. Jh. (F und P, vgl. Christ 1933, p. 249-275 und 295-305) nicht mehr genannt. Sind Ba 134 und V 79 tatsächlich gleichzusetzen (oder handelt es sich um Mehrfachexemplare von Isidorus super vetus testamentum mit unterschiedlichen Folgetexten?) und trifft die Identifizierung in den beiden Verzeichnissen mit dem Codex unseres Fragmentes zu, so würde deutlich, dass dieser ähnlich Basel, Universitätsbibliothek F III 15a, 15f und 15l, aber im Gegensatz zu den weiteren genannten Codices in Basel offenbar erst um die Mitte des 16. Jhs. Fulda verließ. Das in V angegebene Initium entspricht dem Textanfang von Isidors Werk ohne Praefatio und Kapitelverzeichnis (allerdings zeigt sich, dass V häufig nicht das Initium der gesamten Handschrift, sondern des ersten Haupttextes derselben bietet; cf. Christ 1933, p. 6 und p. 84). Sollte die Handschrift, der unser Fragment zugehörte, tatsächlich mit In principio fecit ... begonnen haben, so lässt sich der Textumfang der vor dem Fragment fehlenden Blätter auf (knapp) 17 Blatt berechnen; das Fragment, das drittinnerste Doppelblatt einer Lage (siehe oben), wäre dann, wenn man regelmäßige Lagen annimmt, genau das zweite Doppelblatt des dritten Quaternio der Handschrift gewesen. Auf dem ersten Blatt der Handschrift hätte vielleicht noch (bei zweispaltiger Anordnung derselben) die Capitulatio des Isidor-Textes Platz gefunden. Stimmt die Identifizierung mit Ba 134, so hätte sie im hinteren Teil noch verschiedene Heiligenviten enthalten (mögliche Fragmente - allerdings 9. Jh., ca. 2. Viertel - 2. Drittel -: N I 6:19 und Le VI 12); stimmt zugleich die Identifizierung in V, so hätte sie nach dem als Finis angegebenen Explicit mit der Isidor-Schrift De fide catholica geschlossen.
Provenienz der Handschrift: nach der Makulierung der Handschrift als Umschlag einer hochformatigen Kladde (ca. 2,5 cm dick, 28,5 cm hoch, 9,5 cm breit) verwendet, Aufschrift Ir (quer): Zins Rodel Angefangen den 28. Augusti Ao 1624. herren (?) ... Minzingen
Bibliographie:
  • Karl Christ, Die Bibliothek des Klosters Fulda im 16. Jahrhundert. Die Handschriften-Verzeichnisse, Leipzig 1933 (Beihefte zum Zentralblatt für Bibliothekswesen 64).
  • Carlos Gilly, Spanien und der Basler Buchdruck bis 1600. Ein Querschnitt durch die spanische Geschichte aus der Sicht einer europäischen Buchdruckerstadt, Basel / Frankfurt a. Main 1985 (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 151).
  • Hartmut Hoffmann, Buchkunst und Königtum im ottonischen und frühsalischen Reich, Stuttgart 1986, Textband, p. 141 (Monumenta Germaniae Historica, Schriften 30,1).
  • Gangolf Schrimpf (ed.), Mittelalterliche Bücherverzeichnisse des Klosters Fulda und andere Beiträge zur Geschichte der Bibliothek des Klosters Fulda im Mittelalter, Frankfurt a.M. 1992 (Fuldaer Studien 4).
  • Klaus Gugel, Welche erhaltenen mittelalterlichen Handschriften dürfen der Bibliothek des Klosters Fulda zugerechnet werden?, t. 2: Die Fragmente aus Handschriften, Frankfurt a. M. 1996, p. 41 (Fuldaer Hochschulschriften 23b).
  • Frank Hieronymus, 1488 Petri - Schwabe 1988: eine traditionsreiche Basler Offizin im Spiegel ihrer frühen Drucke, Basel 1997, p. E30.