Für diese Handschrift sind folgende Beschreibungen vorhanden

  • Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 2: Abt. III/2: Codices 450-546: Liturgica, Libri precum, deutsche Gebetbücher, Spiritualia, Musikhandschriften 9.-16. Jahrhundert, Wiesbaden 2008, S. 37-39.
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  • Scherrer Gustav, Verzeichniss der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, Halle 1875, S. 152.
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St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 461
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Scarpatetti Beat Matthias von, Die Handschriften der Stiftsbibliothek St. Gallen, Bd. 2: Abt. III/2: Codices 450-546: Liturgica, Libri precum, deutsche Gebetbücher, Spiritualia, Musikhandschriften 9.-16. Jahrhundert, Wiesbaden 2008, S. 37-39.

Handschriftentitel: Liederbüchlein des Fridolin Sicher
Entstehungszeit: 16./1 Jh. (vor 1545)
Frühere Signatur: D. n. 437 auf dem vorderen Spiegelblatt.
Beschreibstoff: Helles, weiches Pergament erster Qualität.
Umfang: 94 Seiten
Format: 17,5 x 14
Seitennummerierung: Paginierung I. v. A. mit schwarzer Tinte.
Lagenstruktur: Quaternionen, ausser IV[-1]1-14, das Heft ist komposit, das erste Blatt fehlt, vgl. die halben Bogen vor p. 1, nach p. 8 und 14, V[-1]47-64, nach p. 64 Bogen halb beschnitten, IV[-1]81-94, das letzte Blatt fehlt; der Rest des halben Bogens nach p. 80 dürfte zum hinteren Spiegelblatt gehören. Zur ganzen Bindung ausführlich Fallows (s. u.).
Schrift und Hände: Sparsame Lied-, Titel- oder Komponistenangaben von der Hand des Fridolin Sicher, Besitzeintrag von seiner Hand p. 1 Liber fridolini sichery canonici capituli zellensi [!] nec non capellani S. Iacobi et organiste in sancto Gallo 1545.
Musiknotationen: Mensuralnotation des 16. Jhs. auf fünf Linien, präzis und regelmässig rastriert.
Buchschmuck: Ziemlich sicher von seiner Hand sind auch die schönen, reich verzierten spätgotischen Lombard-Buchstaben in abwechselnd blauer und roter Tinte, anfänglich in reicherer Ausführung mit rotem Fleuronne verziert, p. 2, 10, 12, 14, 16, 24, 68. Zu diesen Init. fehlt freilich der zu ihnen gehörige Text, der der Notation nicht unterlegt ist; einzelne der Init. sind auch innerhalb eines Liedes plaziert (p. 39, 63, 81, 83, 87, 89), weshalb sie Fallows als überflüssig bezeichnet. Auch die später einsetzenden federgezeichneten roten und blauen Vögel der p. 61, 65, 68 (fehlt bei Fallows), 72, 82-84 sind Sicher zuzutrauen. Nachdem der Band von der früheren Forschung mit Vorliebe niederländischer oder nördlicher Herstellung zugewiesen worden ist, darf die Niederschrift der Sammlung durchaus Sicher selbst zugesprochen werden, so optiert auch Fallows.
Einband: Einband 16. Jh., braunes Leder auf Karton, sehr schöne pflanzlich-figurative Stempelung mit Mittelfeld und Rahmengeviert, Spuren zweier feiner Schliessen an den Deckelkanten längsseits.
Inhaltsangabe:
  • Vorderes Spiegelblatt Vermerk von I. v. A. zum Inhalt, mit Hinweis auf die Übernahme durch Aegidius Tschudi in Cod. 463
  • 1-94 [Liedersammlung des Fridolin Sicher]
    Nach dem Besitzeintrag Sichers setzt direkt die musikalische Notation ein, ohne Textunterlage, jedoch mit verzierten Init. (dazu s.o.). Lieder-Initien und Komponistennamen passim, kursiv und eher flüchtig, von Sichers Hand. Nach Fallows (s. u.) Aufstellung p. 15-17 insgesamt 49 Lieder der Komponisten Alexander Agricola, Johannes Agricola, Philippe Basiron (?), Antoine de Brumel, Antoine Busnoys, Jacobus Comman, Loyset Compere, »De la Val et Jo« (nicht weiter bekannt), Johannes Ghiselin-Verbonnet, Henricus Isaac, Johannes Japart, Josquin des Prez, Pierre de la Rue, Albertinus Malcourt (?), Johannes Martini, Jacobus Obrecht, Johannes Okeghem, Marbrianus de Orto, Matthaeus Pipelare, Johannes Stokem, dazu 8 anonyme Lieder. Bei einer Reihe von Liedern variiert die Zuschreibung an die Autoren in den div. Hss.
    David Fallows, The Songbook of Fridolin Sicher, around 1515, Peer 1996, Inventarisierung des Inhalts p. 18-31, mit Identifizierung jedes Liedes (von denen nur wenige von Sicher mit Angaben versehen sind), je mit Ed. und Lit., p. 32 Übersicht über die div. Editionswerke 1875-1962; Marx, Cod. 530 (1980), unsere Hs. erw. p. 269; Marx/Warburton, Orgelbuch (1992), p. 337 und für einzelne Lieder im Anm.-Teil VI, p. 344-362, Nr. 123, 143; Arnold Geering, Die Vokalmusik in der Schweiz zur Zeit der Reformation, in: Schweizerisches Jahrbuch für Musikwissenschaft 6, 1933, unsere Hs. p. XVII, 6, 187-189 und Beilage XI, p. 235 f., mit alphabetischem Lied-Inventar der Hs., zu Sicher weiter Reg. p. 251; F. J. Giesbert, Ein altes Spielbuch (Liber Fridolini Sichery) [Ausgabe in moderner Notation mit kurzem Vorwort], Mainz [1936]; Nef, Sicher (1938), unsere Hs. erfasst p. 140f., ferner p. 96, 101, 114f., 121, 151; Coenraad L. Boer, Chansonvormen op het einde van de XVde eeuw, Diss. Utrecht, Amsterdam 1938, Hs. als Liedquelle unter vielen aufgeführt p. 88; Johannes Wolf [Hg.], Heinrich Isaac, Weltliche Werke. Denkmäler der Tonkunst in Österreich XIV /I, Wien 1907, Lieder Nr. 5, 25, 26, unsere Hs. im Revisionsbericht p. 173 als Sgl unter vielen; Eduard Bernoulli, Aus Liederbüchern der Humanistenzeit. Eine bibliographische und notentypographische Studie, Leipzig 1910, unsere Hs. erw. p. 23 und 30f.; Marxer, Choralgeschichte (1908), Tf. VII mit Abb. von p. 12 f. unserer Hs.; Eberhard Kraus, Cantantibus Organis [Ed. in moderner Notation], Hefte 6 und 8, Regensburg 1961 bzw. 1962, p. 59f., 8, bzw. p. 77 (hier ohne Signatur); Marx (s.o.), p. 164-291, zu den Vorlagen der Intavolierungen, u. a. unsere Codd. 461-463, zu Cod. 461 p. 266, Anm. 12, wonach Sicher aus dem gedruckten »Harmonice Musices Odhecaton« des Venezianers Petrucci von 1501 geschöpft hat, gemäss Allan W. Atlas, The Capella Giulia Chansonier, Rom 1975, p. 250. Zu den weltlichen Musik-Hss. vgl. allgemein Isabelle Ragnard, Quelques aspects codicologiques des manuscrits de musique profane (XV./1 s.), in: Gazette du livre medieval 38, 2001, p. 14-25.
Erwerb der Handschrift: In StiBSG wohl nach Sichers Tod 1546.
Bibliographie:
  • Fallows (s. u.), p. 7-14;
  • nach Geering (s. u.), p. 188, ist die Tabulatur nicht für Orgelspiel eingerichtet;
  • Nef (s.u.), p. 141, folgert daraus, dass Sicher wohl nur Besitzer, nicht Schreiber der Tabulatur war.